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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tate
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irgendein Trost fehlt. Für einige Minuten könnten wir so tun, als gäbe es keine Probleme. Aber in diesen Minuten würden wir auch viel enger zusammenwachsen, wir würden eins werden. Ich will das, Julie, ich will das sehr. Aber was geschieht, wenn das Problem wieder auftaucht? Es könnte mich das Leben kosten. Ich muß ihm allein begegnen. Um dir später größeres Leid zu ersparen, muß ich dir jetzt welches zufügen.“
    Mit einer jähen Bewegung stand er auf. In Sekundenschnelle kletterte er erst am einen, dann am anderen Träger der Schaukel hinauf und löste die Ketten der zweiten Schaukel aus den Haken. Dann ließ er sich zu Boden fallen und wickelte die Ketten um den hölzernen Sitz.
    Julie beobachtete ihn schweigend. Tränen verschleierten die Szene; sie wischte sie ungeduldig weg.
    Simeon ging zur Abbruchkante des Kliffs. In zitternder Erregung erhob sie sich und folgte ihm.
    Kurz vor dem Absturz blieb er stehen und hob die Schaukel über den Kopf, wobei er die Augen schloß, um nicht von den herabhängenden Ketten getroffen zu werden. Er schleuderte Schaukel und Ketten hinunter und beobachtete mit klinischem Interesse, wie sie un ten zerschellte.
    Als er sich umdrehte, packte ihn Julie, küßte ihn und ließ ihn wieder los. „Das war alles“, sagte sie. Dann ging sie schnell davon. Mit leichten Schuldgefühlen, weil sie so glücklich war.
    Latimer wartete im Gogan Memorial. Ungeduldig kritzelte er auf einer der Speisekarten herum. Sein Werk zeigte wenig Kunstvolles: eine Folge von Achten, deren Linien zwei- und dreimal nachgezogen und mit Punkten, Strichen und ausgemalten Flächen gefüllt waren.
    Das Warten ärgerte ihn bei diesem Auftrag besonders. Er war schon sonst immer ungeduldig. Wenn die Agency im College irgend jemand analysiert haben wollte, war das eine ziemlich einfache Sache. Die möglicherweise rebellischen Ansichten seiner Opfer ließen sich bei einer künstlich vom Zaun gebrochenen Diskussion während der Kaffeepause oder bei einem angeblichen Wettstreit der Gedanken im Tutorium schnell herausfinden. Die allgemeine „Happening“-Atmosphäre brachte die Dinge stets schnell in Gang. Hier hatte alles die gleiche lethargische Langsamkeit wie das Meer. Auch die energischen Anstrengungen seiner beiden Assistenten, die so vorzüglich geeignet waren, den Mann auf der Schaukel zu einer Reaktion zu bringen, hatten eine Aura der Verzögerung und des Hinhaltens an sich, die ihn erheblich störte.
    Aber jetzt schien das Ende bevorzustehen, und er bedauerte es nicht. Der Bericht war fällig. Die Belohnung wartete. Die Ware mußte geliefert werden.
    Auf den Stufen waren Schritte zu hören. Henny und Zak erschienen. Sie erblickten Latimer, schienen einen Augenblick zu zögern und stürzten dann fast zu seinem Tisch, als ob sie die Zeit wieder einholen wollten, die sie durch ihr Zögern versäumt hatten. „Ich freue mich, daß Sie gekommen sind“, sagte Latimer. Er lachte vergnügt. Die anderen blieben stumm.
    „Stimmt was nicht?“
    „Nein, nein. Alles in Ordnung“, sagte Zak. Sie hat ten sich auf dem Weg vom Yawning Room eine Strategie überlegt, waren aber zu keiner Einigung gekommen. Eines war sicher: Sie mußten irgendeinen Bericht für Latimer und seine Freunde geben. Und gleichgültig, ob es die Wahrheit oder eine Erfindung war, es mußte überzeugend klingen. Sie hatten einfach zuviel zu verlieren, als daß sie sich hier einen Fehler hätten leisten können – besonders jetzt.
    Und noch etwas. Sie durften nichts berichten, was Simeon belastet hätte. Sie waren schon nahe daran gewesen, ihn zu verurteilen und Latimer saftige Details zu liefern, als sie das letzte Mal berichtet hatten. Wie sollten sie jetzt ihren Sinneswandel erklären, ohne sich selbst oder Latimer in Gefahr zu bringen?
    „Nun?“
    „Wir wollen es erst noch etwas auseinanderneh men“, sagte Zak. „Wir sind nicht an solche Blitzanalysen ge wöhnt. Wir brauchen etwas Zeit, wir möchten gern noch etwas Hintergrundlektüre betreiben und vielleicht Parallelfälle heranziehen …“
    „Sie fragen nach dem Ergebnis, das am Ende steht, während wir lieber beim Anfang anfangen möchten“, sagte Henny. „Ob Sie es mögen oder nicht: Wir können die Ware nicht dem Kunden zuliebe ändern. Entweder Sie gedulden sich noch etwas oder Sie werden über eine unvollständige Auskunft enttäuscht sein. Ich glaube, der Agency wäre es lieber, wenn Sie sich gedulden würden.“
    Latimer knüllte die Speisekarte zu einem Papierball

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