Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
dann fällt mir ein, dass ich ihn demonstrativ vor dem Zubettgehen in meinen Schrank verbannt habe. Immerhin ist heute mein erster Arbeitstag als freie und selbstständige Mitarbeiterin, das ist eine ganz neue Lebenserfahrung für mich. Feste Uhrzeiten sind die leidigen Fesseln unserer Gesellschaft, diese muss ich als Erstes ablegen, wenn ich in meiner Rolle als Event-Testerin mit Haut und Haaren aufgehen will.
"Hmm", schnurre ich wohlig, so fühle ich mich auch. Frei und unabhängig. Ein neuer Lebensabschnitt liegt vor mir und ich freue mich darauf, wie Evi auf ein All-you-can-eat-Buffet. Wenn ich an all die Annehmlichkeiten denke, wird mir ganz warm ums Herz. Nie wieder muss ich morgens zur Arbeit fahren und mich durch den dichten Verkehr quälen. Nie wieder acht Stunden Bleistiftstemmen, nur unterbrochen von nervigen Gesprächen mit blöden Kollegen. Nie wieder Kantinenfraß und Parkplatzsuche. Nie wieder!
Nun ja, zumindest für eine Woche. Und wer weiß, mit etwas Glück und viel Talent kann dies sogar meine neue Zukunft werden? Möglicherweise habe ich meine Berufung und Herr Kreutzer eine Marktlücke entdeckt?
Ich fühle mich wie Carrie aus Sex and the City, als ich mir einen Kaffee einschenke und oberflächlich die Zeitung durchblättere. Da sitze ich nun. Erfolgreich, selbstbewusst und Martin hat gute Chancen, der neue Mr. Big zu werden. Mit dem kleinen, aber entscheidenden Unterschied, dass es bei uns selbstverständlich ein Happy End geben wird. Selbst der Kater muss meine strahlende Aura spüren, denn er schleicht schmeichelnd um meine Beine.
"Na du olle Mieze", schäkere ich.
Diese Bezeichnung mag Kasimir gar nicht, schließlich ist er ein Mann.
"Lust auf ein Katerfrühstück?"
Wieder bin ich von meinem Humor verblüfft und ärgere mich gleichzeitig über mein Erstaunen. Ich muss mich wohl erst noch an meine Rolle als gewitzte und schlagfertige Frau von Welt gewöhnen.
Summend schalte ich das Radio ein, während ich in die Küche tänzle, um den Futternapf zu füllen. Die Nachrichten laufen und ich lausche beiläufig.
Da höre ich die Schreckensmeldung! Entsetzen erfasst meinen Körper und ich lasse erschüttert die Tüte mit Kasimirs Leckereien fallen. Dieser schenkt meiner Panikattacke keinerlei Beachtung und stürzt sich stattdessen in Sekundenschnelle auf den willkommenen und unerwarteten Bonus.
Ich fluche leise, das darf doch nicht wahr sein?! Noch immer höre ich die Sprecherstimme in meinem Ohr und versuche zu verstehen.
"Das waren die Nachrichten. Es ist jetzt Punkt zwölf Uhr. Kanal Wolkenwelle, immer sechs Minuten früher informiert."
Zwölf Uhr? Mittags? Meine Atmung überschlägt sich. Wie kann das sein, sollte ich etwa verschlafen haben? Ich eile ins Wohnzimmer und schaue auf die Wanduhr. Tatsächlich, es stimmt. Nun ist mir auch klar, warum ich hellwach bin und die Sonne so stark wie am Mittelmeer scheint.
Mein schlechtes Gewissen macht sich ausgehfertig und ich rase unter die Dusche. Das fängt ja gut an, kaum bin ich selbstständig, lasse ich mich gehen. Ich wusste schon immer, dass Disziplin nicht unbedingt zu meinen Freundinnen zählt, aber dass ich derart schnell verwahrlosen würde, hätte ich nicht gedacht.
Unter dem warmen Wasserstrahl beruhige ich mich allmählich. Viel habe ich bisher noch nicht verpasst. Mein ursprünglicher Plan bestand darin, mir zunächst einen Überblick über die Aktivitäten und Eröffnungsangebote des neuen Centers zu verschaffen und eine Art Wochenprogramm aufzustellen. Mir schwebte ein Flipchart mit vielen bunten Zetteln und Notizen vor, doch das kann ich jetzt getrost vergessen. Stattdessen blättere ich tropfnass und hektisch durch das Heft, in der Hoffnung keine der wichtigen Veranstaltungen verpasst zu haben. Als mir einfällt, dass ich außerdem noch einen Fragebogen für die Beurteilungen entwickeln muss, lasse ich mich gestresst in meinen Sessel fallen. So ein Leben als Carrie ist gar nicht so einfach, wie es im Fernsehen immer aussieht.
Mit in Falten gelegter Stirn durchforste ich die Broschüre. Beim Anblick der ersten Markierung meines Vorgesetzten wird mir heiß und kalt. Der viel versprechende Name "Schneehasenspaß" lässt wenig Spielraum für Fantasie und mein Magen zieht sich krampfartig zusammen.
Verflucht! Die neue Skihalle im Nebengebäude hatte ich völlig vergessen. Abgesehen davon, dass es noch ein großes Kompliment wäre, mich unsportlich zu nennen, hasse ich nichts mehr als Wintersport. Das erste und letzte Mal, dass ich auf Skiern
Weitere Kostenlose Bücher