Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
einen bestimmten Freund, der zügig, wenn auch nur kurzfristig, Erste Hilfe leisten kann: Jonny Walker.
Auf wackeligen Beinen hievt er sich in die Küche und starrt auf die Einkäufe auf dem Tisch. Der Schmerz wallt so stark in ihm auf, dass er kurze Zeit Angst hat, an einem Herzinfarkt zu sterben. Bevor ein weiterer Zusammenbruch droht, wendet sich Paul ab, sucht nach der Flasche und trinkt. Es wird nicht besser, aber damit hat er auch nicht gerechnet. Es soll nur betäuben, diese verdammten Qualen sollen einfach aufhören.
Ein lautes Klingeln stört die Stille und Paul horcht auf. Hoffnungsvoll schaut er zum Telefon. Könnte das Kim sein? Mit einer Entschuldigung für diese Kurzschlussreaktion, voller Liebe und Reue? Paul kriecht, so schnell sein Zustand es zulässt, zum Telefon und landet dabei unsanft mit der rechten Hand in Bobbies Fressnapf. Das klebrige Hundefutter an seiner Handfläche beachtet er kaum, hastig drückt er auf die Taste und schnauft: "Kim?"
Am anderen Ende herrscht einige Sekunden Schweigen.
"Nein, Alter, tut mir leid. Ich bin’s nur. Paul, ich habe es eben gehört, es tut mir echt leid, Mann."
Paul sackt in sich zusammen.
"Josh, oh Hallo. Kein Problem, ich dachte nur …"
Er bricht mitten im Satz ab und eine unangenehme Pause entsteht. Auch bei Josh herrscht sichtliches Unbehagen.
"Also, wie geht es dir?", kommt es unbeholfen durch die Leitung.
Paul lacht bitter auf.
"Wie soll es mir schon gehen?! Betrogen, verlassen und noch nicht mal annähernd so betrunken, wie ich gerne wäre."
Im Hintergrund vernimmt Paul eine Frauenstimme, vermutlich die von Joshs Freundin Lisa, der Paul wohl auch diesen Anstandsanruf zu verdanken hat.
Kurz darauf spricht wieder Josh: "Ja, ähm, also ich wollte nur, dass du weißt, dass ich keine Ahnung von Kims Spielchen hatte und jederzeit für dich da bin."
"Okay", sagt Paul schwach. Er will Josh abwimmeln, für Mitleidsanrufe hat er jetzt nicht den Nerv. Zum einen zählt Josh nicht zu seinen engsten Freunden. Klar ab und zu hatten sie auf einer Grillparty bei einem Bier nebeneinander gestanden und über Fußball oder anderen Männerkram gesprochen. Aber wären Kim und Lisa keine Geschwister, würden Paul und Josh sich wahrscheinlich nie in ihrer Freizeit treffen. Beide wissen darum und das ist auch in Ordnung so.
Zum anderen macht das Gespräch über die Trennung diese erst zur Realität. Es ist kein böser Traum mehr und auch keine Halluzination. Nein, spätestens wenn der Erste anruft, um sein Beileid zu bekunden und seelische Unterstützung anzubieten, ist es offiziell.
Scheiße! Blöder, scheißiger Scheiß-Josh!
Paul reißt sich zusammen.
"Danke, Josh. Ich kann zurzeit noch nicht klar denken, aber ich melde mich, wenn ich was brauche."
"Warte doch mal Paul! Es gibt eine Sache über Kim, die du noch wissen solltest."
Doch Paul hat bereits aufgelegt. Bevor er über das Gespräch nachdenken kann, klingelt das Telefon aufs Neue. Paul nimmt sofort ab.
"Ja?", flüstert er in den Hörer.
"So eine Scheiße! So eine verdammte Affenscheiße", ertönt es am anderen Ende. Paul ist enttäuscht und irritiert zugleich.
"Wie bitte?"
"Das tut mir sooo leid für dich! Ich hab's gerade von Josh gehört, diese kleine Schlampe! Also, Kim, nicht Josh. Bist du Hause?"
Paul ringt um Fassung, während eine unbekannte Wut in ihm aufsteigt.
Warum denkt eigentlich jeder, er müsste hier anrufen und sinnlos die Leitung blockieren?
"Ja, ich bin zu Hause und bevor du fragst, ja es geht mir beschissen!", geifert er in den Hörer.
Tom ignoriert die unverhohlene Ironie.
"Gut, ich bin in fünf Minuten da. Hast du ausreichend Alkohol vorrätig oder soll ich was mitbringen?"
"Was? Nein! Ich meine ja, ich habe genug, aber du brauchst nicht vorbeikommen. Mir geht es gut", versucht er Tom abzuwehren.
Das Letzte, was Paul jetzt gebrauchen kann, sind die Überlebenstipps seines besten Freundes. Der würde nur dafür sorgen, dass er morgen einen heftigen Kater und wahrscheinlich ein neues Profil bei einer dubiosen Singlebörse hätte. Eventuell noch eine Anzeige bei der Polizei wegen Sachbeschädigung. Sein Freund ist ein Verfechter von Rache, das weiß Paul aus eigener Erfahrung. Toms übertriebener Gerechtigkeitssinn zusammen mit dem Beschützerinstinkt eines Hundes ist manchmal zwar rührend, aber er führte leider auch dazu, dass Paul sehr wenig Kontakt zu seinen Verflossenen unterhält. Gut, er bekam Briefe, aber die waren nicht selten vom Gericht und eher unerfreulicher Natur. Grund genug, Tom aus
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