Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
an ein umfallendes Regal voller Dosen von Katzenfutter. Diesen Vergleich kann ich nach Kasimirs nächtlichen Ausflug in der vergangenen Woche getrost anstellen. Ängstlich lege ich die Ohren an. Das Scheppern verzerrt sich nun zu einem Donnern und es dauert ein wenig, bis ich begreife, dass es sich um ein Lachen handelt. Ein gigantisch lautes und tosendes Lachen, das einem das Herz still stehen lässt.
Ich bin prinzipiell kein lauter Mensch, schrille Geräusche machen mir Angst. So bin ich auch jetzt wie gelähmt und warte starr bis das Geräusch verstummt. Doch nicht nur die Lautstärke allein macht mich bange. Vielmehr ist es eine seltsame Gewissheit, dass etwas Unheimliches auf mich zukommt. Eine ungemütliche Gänsehaut kriecht langsam meinen Rücken hinauf und ich beginne zu frösteln. Das Lachen wird unterdessen leiser, bis es abrupt aufhört.
"Charlotte, jetzt muss ich mich doch sehr über deine Naivität wundern. Wir sind im Himmel und du fragst dich ob es hier übernatürlich Kräfte gibt? Ich habe dich für intelligenter gehalten! Aber lass uns das Spiel beenden. Ich möchte mich gerne mit dir von Angesicht zu Angesicht unterhalten."
Der letzte Satz ist keine Bitte, aber ich bin zu geschockt, um mich bewegen zu können. Das ist jetzt doch etwas zu viel für mich. So was habe ich noch nie erlebt, es ist geradezu unfassbar. Hat man mich gerade naiv und unintelligent genannt? Mich?
Ich sehe meine Karriere schwinden und muss mich erst einmal hinlegen.
"Jetzt wird es mir aber zu bunt, Charlotte Wiese!", blafft es aus dem Nebenraum. "Komm sofort hier rüber oder ich lasse dich holen. Das wird dir aber mit Sicherheit nicht gefallen, soviel kann ich dir versprechen!"
Oje, jetzt wird es aber ungemütlich. Ich wollte doch nur ein paar Sekündchen die Augen schließen. Immerhin bin ich vor Kurzem erst verstorben, mein Innerstes wird ungeniert gelesen und zusätzlich wurde ich soeben beleidigt. Ich schlucke meinen Ärger hinunter. Wie es scheint, bekleidet der Brüllaffe eine gehobene Stellung, da möchte ich mich lieber von meiner gefügigen Seite zeigen. Kaum gedacht, bereue ich das Wort "Brüllaffe" auch schon. Angestrengt versuche ich, an etwas Unverfängliches denken, bloß wie?
"Zitrone, Zitrone, Zitrone", murmle ich leise vor mich hin, während ich aus dem Wartezimmer schleiche und vorsichtig den nächsten Raum betrete.
Auch dieser Saal ist in strahlendem Weiß gehalten, allerdings ist die Einrichtung noch spärlicher. Keine Bänke stehen an den Wänden und kein Tisch ist zu sehen, nur grelles Licht durchflutet den Raum. Ich muss von Neuem die Augen zusammen kneifen, traue mich aber nicht, stehen zu bleiben. So stolpere ich blind wie ein Maulwurf durch die Halle, bis ich auf ein Hindernis stoße. Dieses stellt sich als riesiger Schreibtisch heraus, hinter dem ein weißhaariger Mann mittleren Alters sitzt. Ein dichter, grauer Bart überwuchert das halbe Gesicht und lässt keine Gefühlsregung erkennen.
"Setz dich!"
Einen kurzen Augenblick möchte ich gegen die groben Umgangsformen protestieren, als sich unsere Blicke kreuzen, sinke ich jedoch widerstandslos in den Sessel. Eine Weile mustern wir uns skeptisch.
Während ich über die Hygienebedingungen eines derartigen Bartwuchses grüble und mich frage, ob das Zupfen von Augenbrauen an diesem Ort wohl untersagt ist, schaut mir mein Gegenüber nur ruhig in die Augen. Obwohl sein Blick still auf mir ruht und das Gesicht keine Empfindung verrät, habe ich das Gefühl gedanklich durchbohrt zu werden. Es scheint, als würden meine geheimsten Fantasien gelesen werden und diese Nacktheit macht mir zu schaffen. Ich war noch nie ein Freund von FKK, doch jetzt würde ich lieber zwei Wochen nackt am Strand liegen, als noch weitere fünf Minuten hier zu sitzen. Ein unsichtbarer Zwang veranlasst mich bedröppelt den Blick zu senken. Mir ergeht es wie einem kranken Kinobesucher, der nicht husten darf und dessen Hals allein aufgrund seines Wissens um das Verbot kratzt, bis ihm die Augen tränen. Mit aller Gewalt versuche ich, das Bild eines Brüllaffen durch das einer Zitrusfrucht zu ersetzen.
Das Brüllzitrönchen holt tief Luft: "Nun Charlotte, schön dass wir uns einmal kennenlernen."
Zweifelnd ziehe ich meine rechte Augenbraue in die Höhe und der Mann räuspert sich verlegen.
"Nun ja, die Umstände sind vermutlich weniger schön, zumindest für dich."
Er verstummt und lässt den Satz offen im Raum stehen. Anscheinend wird von mir eine Reaktion erwartet, doch ich schweige
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