Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
die Fahrstuhltür und eine ausgelassene Meute schiebt sich lachend an mir vorbei. Die Damen tragen bunte Luftschlangen um den Hals und ich rieche zweifellos Alkohol. Oh mein Gott, es ist tatsächlich passiert. Jetzt drehen alle durch. Sprachlos starre ich den wackelnden Hinterteilen hinterher und versuche zu verstehen. Natürlich ist der Job in unserer Werbeagentur oft anstrengend und nervenaufreibend, aber das ist doch kein Grund eine Abschiedsparty zur Schließung des Unternehmens zu feiern.
Oder schlimmer! Eine weitere Horrorvision übermannt mich, derweil sich meine Contenance in den Fernsehsessel fläzt und eine Packung Chips aufreißt. Gab es, aufgrund der Entlassungen etwa eine fette Abfindung? Wurden die dicksten Brocken längst verteilt, während ich nichtsahnend meinem Kater ein Steak auf den Grill warf? Ich brauche dringend Gewissheit und stürme los.
Als ich Emmas Stockwerk erreiche, fahren meine Nerven die dritte Runde Achterbahn und liegen blank. Mein Blick fällt auf das Konfetti auf dem Boden und ich beginne zu hyperventilieren. Außer meiner Schnappatmung ist es auch in dieser Etage merkwürdig ruhig. Die fehlenden Geräusche machen mich allmählich wahnsinnig und ich hetze weiter.
Keuchend erreiche ich Emmas Büro und öffne dieses auf zitternden Beinen. Um einen Moment zu verschnaufen, lehne ich mich in den Türrahmen, während kleine, gelbe Punkte wie wild vor meinen Augen tanzen. Sekunden später verschwimmt das Farbenspiel in meinen Tränen, denn das verdammte Büro ist leer. Ich fluche leise.
So ein Mist! Das hat man also davon, wenn man es gut mit seinen Mitmenschen meint. Aber das wird Emma noch leidtun. Irgendwann wird unser Moppelchen wieder ein offenes Ohr für den alltäglichen Bürotratsch suchen und wenn ich dann unser - ihr bis dahin lieb gewonnenes - Frühstück absage, wird sie ihr unzuverlässiges Verhalten bereuen.
Niedergeschlagen trotte ich in meine Abteilung, in der Hoffnung, dass die Kolleginnen mehr wissen. Noch während ich mich an diesen recht dünnen Strohhalm klammere, spitze ich die Ohren. Was ist denn das für ein Lärm? Obwohl ich noch gute fünfzig Meter von unseren Büros entfernt bin, kann ich die lauten Stimmen überdeutlich hören. Wahrscheinlich handelt es sich um eine weitere Unabhängigkeitsfeier, aber da haben sich meine Kolleginnen zu früh gefreut, ich rette nämlich die Firma, so!
Das fröhliche Schnattern dringt gedämpft durch die Tür unseres Aufenthaltsraumes, was praktisch ist, da ich mir sowieso gerade einen Kaffee holen wollte. Schwungvoll drücke ich die Klinke hinunter und stehe kurz darauf wahrhaftig inmitten einer Party. Es wimmelt von Sektgläsern und überall schmücken die vorhin erspähten Luftschlangen und farbenfrohe Girlanden den sonst so tristen Raum. Flitterndes Konfetti tummelt sich in manch peinlicher Frisur und alles glotzt mich durch glasige Augen selig an. Die wenigen nüchternen Exemplare der Feiernden betrachten mich hingegen mit erschrocken geweitetem Blick und mir ist nicht entgangen, dass die meisten Gespräche bei meinem Eintritt gestoppt haben. Doch das stört mich nicht. Die Kollegen ahnen wohl meinen bevorstehenden Heldeneinsatz, ja mit dem Wiesel muss man auch nach dem Abpfiff noch rechnen!
Die bizarre Starre dauert nur kurz an, Sekunden später eilt Evi Müller auf mich zu und nimmt mich in ihre viel zu dicken, schwabbeligen Arme. Gegen Evi wirkt sogar Emma wie ein magersüchtiges Topmodel und ich rümpfe angewidert die Nase, während ich versuche, nicht in den Massen zu ersticken.
"Da bist du ja, Charlotte, ich konnte dich leider nirgends finden!"
Mühsam löse ich mich aus der Umklammerung.
"Schon gut, schon gut", versuche ich sie abzuwehren, "ich war beschäftigt und habe eigentlich auch gar keine Zeit. Nur ein kleiner Kaffee."
Doch Evi lässt sich nicht so leicht abschütteln. Kraftvoll packt sie meinen rechten Arm und zerrt mich hinüber zum Sektstand, über dem ein riesiges Banner mit der Aufschrift "Herzlichen Glückwunsch" schwingt.
Ich stutze. Wer hat denn den Stand so kurzfristig besorgt und, was viel wichtiger ist, warum?
"Herzlichen Glückwunsch? Wozu?"
Irritiert blicke ich in die Runde.
"Ja, da schaust du Charlotte, was? Heute gibt es was zu feiern! Ich verlasse die Abteilung."
Evi glüht vor Glück. Und mir wird alles klar.
Ich atme auf. Dann war meine Besorgnis völlig umsonst. Trotzdem muss ich mich wundern. Seit wann feiert denn die ganze Agentur bei so einer - Entschuldigung - Lappalie? Oder habe ich mir
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