Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Erinnerung daran fehlt, doch so erholt wie heute hat sich Paul lange nicht mehr gefühlt. Einen kurzen Augenblick bleibt er Beine baumelnd auf der Bettkante sitzen und schaut zum Fenster. Trotz der geschlossenen Vorhänge, dringt Helligkeit in das Innere des Zimmers und kündigt den neuen Tag an. Möglicherweise ist dies die Erklärung für seine wachen Lebensgeister? Schwungvoll reißt Paul den schweren Stoff zur Seite und betrachtet sprachlos die dahinter liegende Außenwelt. Der Anblick ist ihm seltsam fremd, dennoch fühlt er sich an frühere Skiausflüge in den Bergen erinnert. Auch damals ließ der Schnee die Landschaft nie völlig in der Dunkelheit verschwinden, selbst in der tiefsten Nacht war die Umgebung höchstens grau. Hinzu kam die friedliche Stille, die Welt war wie in Watte gepackt, ein herrliches Gefühl.
Doch heute befindet sich Paul nicht in den Bergen und erst recht nicht im Urlaub. Trotzdem lässt das malerische Bild seine Heimat in der Ferne verblassen. Alles ist weit weg. Der blöde Bommel und seine Nase im Hintern des Chefs, die beleidigten Kollegen. Sogar Kim und der dämliche Max, einfach alles.
Diese Vorstellung gefällt Paul und er hüpft fröhlich ins Bad. Pfeifend stellt er sich unter die Dusche und betritt kurze Zeit später erfrischt den Saal im Erdgeschoss. Überwältigt von dem großen Angebot, lässt Paul seinen Blick über das Buffet gleiten, bevor er entschlossen den größten Teller schnappt und mit den verschiedensten Köstlichkeiten füllt. Hier verstehen sie was von einem leckeren Frühstück, denkt Paul grinsend, als er goldfarbigen Honig auf seine frische Waffel streicht.
Suchend sieht er sich um. Der Frühstücksraum ist gut gefüllt und die meisten der Tische sind belegt. Dennoch findet Paul einen schönen Platz am Fenster und beobachtet abwechselnd die fantastische Welt hinter den Scheiben und das vertraute Treiben der Menschen im Inneren. Unter den Gästen sind einige Geschäftsmänner, aber auch kinderreiche und lautstarke Familien sowie ein paar, neben diesen Lärm verloren wirkende, Rentner. Eine gute Mischung findet Paul, der nichts mehr als diese Businesshotels hasst, in denen man vor lauter Laptops und Zeitungen kaum Köpfe an den Tischen sieht. Von dem nervtötenden Geklingel der Handys aus den Brusttaschen ganz zu schweigen. Jeder meint wichtiger als der andere zu sein und ist bedacht darauf, dies auch zu zeigen.
Hier hingegen herrscht eine vertraute Atmosphäre vor. Ein unsichtbares Band der Zusammengehörigkeit verknüpft beinahe verstohlen die Personen und Schicksale auf den einzelnen Plätzen. Ob es an der behaglichen Einrichtung aus hellem Holz oder dem herzlichen Umgang des Personals liegt, kann Paul nicht sagen. Er will den Zauber auch nicht hinterfragen.
Zufrieden lehnt er sich zurück, trinkt in langsamen Schlucken den cremigen Milchkaffee und genießt das behagliche Gefühl, welches ihn wie eine warme Heizdecke umgibt. So vergehen einige Minuten, in denen sich Paul tatenlos der wohligen Leere hingibt, selbst das Gedankenkarussell in seinem Kopf still steht. Erst als ein Kind am Nachbartisch seinen Löffel klirrend fallen lässt, kommt Paul wieder zu sich und zwingt sich mühsam aus dem gemütlichen Sessel.
Johns Büro liegt nur wenige Straßen von der Unterkunft entfernt und so beschließt Paul, den kurzen Weg zu Fuß zu gehen. Ein weiteres Mal verblüfft ihn die saubere und klare Luft und er atmet tief ein. Das glänzende Pflaster liegt wie frisch gewaschen vor seinen Füßen und eine Welle von Glückshormonen durchströmt Pauls Körper. Zudem steigt ein längst vergessenes Selbstbewusstsein in ihm auf und Paul beschließt dieses Gefühl einfach zu genießen.
Der Weg ist schnell zurückgelegt und so betritt Paul einige Minuten zu früh das große Gebäude. Die Halle ist von imposanter Größe und Paul lässt seine Augen bewundernd über die hohen, mit glänzenden Mosaiken gestalteten Wände, gleiten. Ein leises: "Wow" entweicht seinen Lippen, hallt in einem Echo wider und lässt Paul zusammen zucken. Orientierungslos sucht er die Ecken nach einem Empfang ab, kann aber nichts dergleichen entdecken. Die spärliche Einrichtung besteht lediglich aus einer weißen Sofalandschaft in der Mitte des Raumes und Paul stakt unbeholfen darauf zu. Behutsam lässt er sich nieder, legt seine Hände auf die Knie und verharrt einige Sekunden.
Die Warterei macht ihn mürbe und er kann ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend nicht abstreiten. Unruhig legt Paul den Kopf
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