Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
könnte es nicht schöner sein. Seit dem Morgen quält ihn nicht ein einziger Gedanke an Kim und den Verlust seiner großen Liebe. Selbst der Schmerz ist wie weggeblasen, diese Erkenntnis überrascht Paul. Es scheint, als würde diese wunderschöne Gegend, die Schatten seiner Vergangenheit allmählich verblassen lassen. Oder sollte es an der neuen Herausforderung liegen? Was es auch ist, Paul empfindet tiefe Dankbarkeit dafür.
Mit geschlossenen Augen reckt er ein paar Minuten seine Nase in die Sonne, bevor er sich aufsetzt und skeptisch den Berg Arbeit neben seinem leeren Kaffeebecher betrachtet. Dann greift er entschlossen zum obersten Blatt und überfliegt mehrmals und mit wachsenden Sorgenfalten den sonderbaren Inhalt.
Heute Morgen fällt mir das Aufstehen besonders schwer. Ständig kreisen meine Gedanken um Evis Beförderung und meine damit einhergehende Niederlage. Hätte ich sämtliche Überlegungen à la "Hätte, wäre, wenn" wie Schafe gezählt, wäre mir mein Schlaf sicher gewesen. Aber statt bauschige weiße Schäfchen über eine Wiese hüpfen zu sehen, schob sich mir ständig Evis vor Freude gerötetes Gesicht vor Augen. Es ist doch erstaunlich, wie viele verschiedene und originelle Rachepläne mir in einer einzigen Nacht einfallen können. Ich habe gar nicht gewusst, dass ich derart kreativ bin.
Doch so befriedigend diese Tagträume auch sind, so bitter schmeckt die Erkenntnis, dass Evis Tauchgang in Betonschuhen ein unerfüllter Wunsch bleiben wird. Ebenso die dreistöckige Torte mit einen Hauch von Zimt und einer Prise Rattengift. Oder meine Lieblingsvorstellung: Evi und Emma, in einem geschlossenen Raum, in der Mitte des Zimmers nur ein einziges Stück Kuchen. Herrlich! Und so leicht umzusetzen.
Leider rufen diese Fantasien nur für kurze Zeit Glücksgefühle in mir hervor. Ich will ja nicht ernsthaft, dass unserem Dickerchen etwas Schlimmes zustößt. Ein gebrochenes Bein würde mir genügen. Oder besser zwei. Dann würde die Geschäftsleitung eine Vertretung benötigen und wer käme dafür besser in Frage als eine gewisse Dame namens Charlotte Wiese, die diesen Job bereits vor Jahren erfolgreich gemeistert hat? Und wenn die Herren eine Zeit lang meine Qualitäten wieder vor Augen hätten, wäre Evi schneller Kaffee von gestern als ihre Treffen mit den WeightWatchers.
Mir wäre meine Beförderung natürlich furchtbar unangenehm und angesichts meiner nicht enden wollenden Gewissensbisse würde ich mich selbstverständlich tränenreich und mit einer großen Schokolade bei Evi entschuldigen. Als Schauplatz würde sich unsere Kantine hervorragend eignen. Durch das Essen wäre Evi abgelenkt und zudem hätte ich genügend Publikum, welches meine großzügige Geste beobachten und an die Vorstände weitertragen könnte.
"Erfolgreich, aber mit Herz", das könnte mein neuer Slogan werden, ich sehe mich schon …
"Huuuuup", der blöde Wecker lässt mich hochfahren. Ich muss diese Tagträume endlich in den Griff bekommen, bevor das noch böse endet. Zurück in der grausamen Realität, erwäge ich ernsthaft, heute krank zu sein. Ich fühle mich tatsächlich ein wenig schlapp und wackelig auf den Beinen. Vielleicht sollte ich mir eine kurze Auszeit gönnen, die letzten Tage waren ziemlich aufregend für mein sonst so biederes Leben. Und wann habe ich eigentlich das letzte Mal die Firma geschwänzt? Außer gestern, natürlich. In den vergangenen Jahren hatte ich höchstens drei Fehltage und wie mir dieser Einsatz gedankt wird, sehe ich ja.
Niedergeschlagen schlüpfe ich in Bademantel und Plüschpuschen und schlurfe in mein Wohnzimmer. Mit mir nicht, so lasse ich mich nicht behandeln! Ich kann etwas Besseres mit meiner Zeit anfangen. Ich habe Visionen, Pläne, ich bin zu Größerem berufen! Ich … schalte den Fernseher ein.
Sollen die Herrschaften ruhig sehen, wie sie ohne mich zurechtkommen. Wer braucht schon den Bürostress, wenn er sich auch sinnvoller beschäftigen kann? Nun habe ich endlich einmal Zeit für mich.
Hmm, das Frühstücksfernsehen reißt mich heute nicht vom Hocker, ich zappe weiter und lehne mich geistig zurück. Ich könnte auch eine eigene Firma gründen, dann wäre ICH der Vorstand. Meine Mitarbeiter würde ich niemals so schäbig behandeln.
Eine Viertelstunde später ertappe ich mich dabei, wie ich interessiert einem Bericht über jugendliche Mädchengangs lausche und springe entsetzt aus dem Sessel. Blamage hin oder her, alles ist besser, als dieses morgendliche Fernsehprogramm. Mein
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