Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
in den Nacken und betrachtet nachdenklich die Verzierungen an der Decke. Sein Blick gleitet fasziniert über das imposante Farbenspiel und Pauls Gewissen meldet sich prompt. Sein neuer Auftraggeber John ist ein mächtiger Mann, die Schönheit und Größe dieses Bauwerkes spiegeln nur ansatzweise seine Stärke wider. Außerdem liegt das wichtigste Projekt seines Lebens vor Paul und was hatte er bisher dafür getan? Nicht einen einzigen Strich hatte er gestern zu Papier gebracht. Statt raffinierte Pläne zu erarbeiten, hatte er nur voller Selbstmitleid seine Wunden geleckt. Ob dies nun Folgen haben würde? Nervös versucht Paul sich an das erste Gespräch mit John zu erinnern. In diesem hatte John ihm eindeutig geraten, sich zunächst mit der Umgebung vertraut zu machen und nichts zu überstürzen. Nach dem langen Flug war Paul dankbar für die zwanglosen Worte, heute zweifelt er jedoch an ihrem Wahrheitsgehalt. Seine bisherigen Erfahrungen mit fremden Ländern und Kulturen haben ihn mehr als einmal gelehrt, dass hinter manch lieber Bemerkung, eine reine Höflichkeitsfloskel, statt einer ernst gemeinten Aufforderung steckte. Möglicherweise war dies ein erster Test und Paul war bereits durchgefallen? Bei dieser Vorstellung wird Paul übel, unruhig rutscht er über das weiße Leder, auf der krampfhaften Suche nach einem Geistesblitz. Wenigstens eine brauchbare Inspiration, nur eine einzige Erleuchtung möchte er in das bevorstehende Gespräch einbringen können. Doch nichts geschieht, eine bleierne Leere legt sich auf Pauls Verstand, bis ein helles "Pling" ihn in die Realität befördert.
In der hinter ihm liegenden Wand öffnet sich eine Tür und eine bildschöne Frau betritt das Foyer. Bei ihrem Anblick verschlägt es Paul die Sprache.
"Hallo Paul."
Die sanfte Stimme der Erscheinung steht im Widerspruch zu ihrem festen Händedruck, den Paul zaghaft erwidert.
"Ich bin Julia. Schön dass Sie hier sind, John erwartet Sie."
Mit diesen Worten schiebt sie Paul sanft in den Fahrstuhl, drückt den obersten Knopf der Stockwerkanzeige. Paul öffnet unschlüssig seinen Mund, bleibt jedoch stumm. Aus unerfindlichen Gründen scheint ihm der übliche Smalltalk unangemessen und so rauschen sie schweigend durch die höher gelegenen Etagen. Oben angelangt, umfasst die dunkelhaarige Schönheit Pauls Arm und leitet ihn so durch den Wartesaal in Johns Büro. Erst als sich Julia abwendet und Paul allein zurückbleibt, erwacht dieser aus seiner Starre.
Die Größe des vor ihm liegenden Zimmers ist ebenso überwältigend wie der massive Schreibtisch am Fenster und von Neuem melden sich Pauls Gewissensbisse. Hier scheint alles riesig und überaus wichtig zu sein und er fürchtet allmählich, den Anforderungen nicht gerecht zu werden.
John scheint von Pauls Ankunft und Zweifeln noch nichts bemerkt zu haben, mit dem Rücken zu ihm, studiert er angestrengt einen Stapel Papier. Um ihn nicht zu stören, nimmt Paul so vorsichtig wie möglich, an der anderen Seite des Tisches Platz. Umso größer ist der Schrecken, als John sich ruckartig umdreht und ein lautes "Guten Morgen Paul!" in seine Richtung schmettert.
"Schön, dass Sie hier sind. Was für ein toller Morgen, was? Haben Sie sich inzwischen ein wenig bei uns einrichten können?"
Paul nickt: "Vielen Dank John, es ist alles wunderbar."
Johns Herzlichkeit hatte Paul bereits bei seiner Ankunft kennengelernt, dennoch kann er dessen Ehrfurcht einflößende Aura nicht von sich weisen. Verständlich, denkt Paul, ein Unternehmen solchen Ausmaßes kann schlecht mit der Autorität einer Salatgurke geleitet werden.
John unterbricht seine Überlegungen: "Nun Paul, ich habe ehrlich gesagt sehr viel zu tun und deshalb nur wenig Zeit für Sie. Daher möchte ich direkt auf den Punkt kommen. Haben Sie sich inzwischen ein Bild von Ihrem Projekt machen können?"
Paul zuckt zusammen. Einen Augenblick lang ist er versucht, mit einer vagen Ausrede zu antworten. Beim Blick in Johns stahlblaue Augen verwirft er die Idee aber sofort.
"Wenn auch ich ehrlich sein darf, habe ich den gestrigen Tag hauptsächlich genutzt, um mich hier einzuleben. Aber wenn ich die Unterlagen mit den Eckdaten bekomme, mache ich mich sofort an die Arbeit", beteuert er hastig.
John nickt wohlwollend
"Dann möchten Sie den Auftrag also annehmen? Das freut mich sehr."
Fragend legt Paul seine Stirn in Falten, eine andere Möglichkeit kam für ihn nie in Frage. Was sollte er auch stattdessen tun? Einfach aufgeben und wieder nach Hause fliegen?
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