Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Wind", erkläre ich gespielt schwach und ernte verständnisvolles Streicheln über meinen Unterarm.
Hagen bestellt zwei Gläser Sekt und lässt uns die Karte bringen. Ich bin verzückt. Im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, dass mein neuer Traummann nicht nur wunderbar aussieht, sondern auch ein toller Begleiter ist. In charmantem Plauderton führt er sanft die Unterhaltung, lässt keine peinlichen Pausen entstehen, bombardiert mich aber auch nicht mit Fragen oder einem Redeschwall. Schnell lassen wir das Thema Wetter hinter uns und landen, nach einigen Sätzen der Lästerei über das städtische Büchereipersonal, bei unseren Hobbys.
"Sie interessieren sich also für Marketing?", fragt Hagen und tippt auf das Buch, das ich mir vorhin ausgeliehen habe.
Ich denke kurz darüber nach, ihn aufzuklären, dass ich längst sehr erfolgreich in dieser Branche tätig bin, überlege es mir dann jedoch anders. Der Titel "Basiswissen Marketing" klingt nicht so, als würde ich besonders viel von meinem Job verstehen. Also beschränke ich mich auf ein zustimmendes Nicken.
"Das klingt spannend, erzählen Sie mir davon."
Ach herrje, suchend sehe ich mich nach einer Ablenkung um. Doch keine unerwartete Hilfe - zum Beispiel in Form eines vorbeischwimmenden Hundes, mit einem Babykorb im Maul - rettet mich. Wo ist Lassie, wenn man ihn braucht?
Egal, da ich keinen anderen Ausweg sehe, hole ich tief Luft und fange an von Marktforschung, Angebot und Nachfrage und Analysen zu plappern, was mein Hirn hergibt. Die Hälfte des Vortrages reime ich mir zusammen, den Rest weiß ich noch aus der überflogenen Lektüre. Während Hagen beeindruckt meinen Ausführungen lauscht, komme ich langsam in Fahrt und bin am Ende meines Vortrages selbst überrascht. Einige der Theorien sind zwar frei erfunden, klingen aber so gut, dass es mich nicht wundern würde, diese irgendwann in einem Lehrbuch wiederzufinden.
Hagen lehnt sich zurück: "Das klingt sehr spannend. Ich finde es faszinierend, wenn sich Menschen in ihrer Freizeit nur aus der Freude an Wissen weiterbilden. Ich wünschte ich hätte auch die Zeit dazu."
Ich stocke, das kann ich so auf keinen Fall stehen lassen. Ich beschließe, Hagen zu erklären, dass auch ich keineswegs die Zeit dafür habe, da ich viel zu erfolgreich und beliebt bin, da bemerke ich seinen traurigen Blick.
"Viel Stress, hmm?", frage ich vorsichtig und Hagen nickt.
Zögernd schaut er mich an, während er scheinbar einen inneren Kampf mit sich führt. Am Ende beschließt er wohl mir zu vertrauen, denn er legt los: "Kennen Sie das neue Luckylife-Center, was hier eröffnet werden soll?"
"Ob ich es kenne?", platze ich heraus. "Ich würde sagen es gibt momentan kein Thema, was mich mehr beschäftigt!"
Vor Aufregung wird mein Gesicht puterrot, jetzt kann ich endlich auftrumpfen.
"Sie auch?", fragt Hagen erleichtert und fassungslos zugleich.
Ich nicke heftig und überlege eine angemessene Einleitung, um meine führende Position in dem Projekt zu beschreiben.
"Oh Mann, das ist Schicksal!", lacht meine Verabredung und winkt dem Keller, um ein weiteres Glas zu bestellen. "Darauf müssen wir anstoßen!"
Ich grinse selig, der Tag wird immer besser. Jetzt treffe ich auch noch auf einen Gleichgesinnten, bestimmt kann mir Hagen manche meiner Fragen beantworten. Unbewusst natürlich, ich darf mich selbstverständlich nicht als Laie zu erkennen geben. Zu sehr streichelt sein bewundernder Blick mein Ego, das sich soeben wieder auf die Heimreise vom Ballermann macht.
"Erzählen Sie!", fordert Hagen mich auf und ich stocke. So rum habe ich mir das Verhör nicht vorgestellt.
"Na ja, ich denke, ähm, also momentan wird das Projekt in den Medien ziemlich zerrissen. Und durch den unnötigen Gewalteinsatz bei der Demonstration hat sein Image gewaltig Federn gelassen."
Nervös befeuchte ich meine Lippen und schaue Hagen abwartend an, doch dieser ist bereits Feuer und Flamme.
"Ja, ist das nicht wunderbar! Die werden mit ihrem dämlichen Center noch schön auf die Nase fallen. Geldgier zahlt sich eben nicht immer aus!", ruft er aus und haut dabei mit der Faust auf den Tisch.
Erschüttert starre ich ihn an. Oh mein Gott, Hagen ist ein Protestant, äh, ein Protestierer. Ich sitze wahrhaftig mit einem Gegner am selben Tisch und schlürfe gemütlich Sekt. Einem wunderschönen, intelligenten, witzigen und … scheißegal, einem Feind. Als mir bewusst wird, dass ich mich vor wenigen Sekunden um ein Haar verraten hätte, greife ich entsetzt zum Wasser.
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