Das verrueckte Schwein pfeift in der Pfanne
Blitzartig ist mein Mund ganz trocken.
Hagen deutet meine Reaktion falsch.
"Tut mir leid", entschuldigt er sich zerknirscht, "manchmal gehen mir bei diesen Arsch…, also Deppen einfach die Pferde durch. Ich wollte Sie mit meinem Ausbruch nicht erschrecken."
Sein verlegenes Lächeln zieht mich von Neuem in seinen Bann. Um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, trinke ich mein Glas leer.
"Ist schon gut", krächze ich. "Mir geht es ähnlich mit diesen, ähm, Mist… säuen!"
Das Wort kommt falsch und gequält über meine Lippen und ich schaue für meine Verhältnisse mehr als schuldbewusst drein. Doch Hagen lächelt schon wieder und ich gehe in seinem Lächeln auf, wie Popcorn in der Mikrowelle. Schon lange hat mich kein Mann mehr so angesehen und ich verfluche das Projekt und seine Zweiteilung der Gesellschaft.
"Wir müssen etwas unternehmen!", schiebe ich angestachelt hinterher und Hagen nickt eifrig.
"Begleiten Sie mich doch nachher auf unsere wöchentliche Sitzung. Wir brauchen jede Unterstützung und so lernen Sie gleich auch die anderen kennen", schlägt er vor.
Einen kurzen Augenblick führe ich eine lautlose Debatte mit dem Engel auf meiner rechten Schulter, doch Hagens treue Pferdeaugen lassen mich wie ferngesteuert nicken. Ein paar Infos der gegnerischen Seite können unserer Kampagne nicht schaden, beruhige ich mein Gewissen und so verlasse ich an Hagens Seite das Restaurant.
Wenig später stellen sich erste Zweifel bei mir ein. Der Anblick des Menschenauflaufs vor der Versammlungsstätte verursacht leichte Krämpfe in meiner Magengegend, mit so viel Wiederstand habe ich nicht gerechnet. Die ersten Redner haben begonnen und Hagen drückt mich behutsam auf einen Platz in den hinteren Reihen. Auf der Bühne sehe ich einen älteren weißhaarigen Mann in Ökolatschen und einer mit Buttons verzierten Umhängetasche. Ich kann nur die größten von ihnen lesen:
"Finger weg vom Park!" , "Bei Abriss Aufstand" und "Freizeitcenter ohne Park?!"
Die Aggression in seiner Stimme erschüttert mich und mir wird klar, dass ich diese "Berufsdemonstranten", wie sie manchmal von der Presse genannt werden, völlig unterschätzt habe. Hier handelt es sich um keinen zusammengewürfelten Haufen streitlustiger Leute, nein, diese Menschen wissen sehr wohl, wofür sie kämpfen. Ihr Wissen und ihre Überzeugung schüchtert mich ein und so sitze ich den Rest der Veranstaltung still und betont unauffällig auf meinem Platz.
Die Pause unterbricht mein Versteckspiel und Hagen schleift mich zu ein paar "wichtigen Leuten", wie er sie bezeichnet. In den folgenden Gesprächen beschränke ich mich auf möglichst überzeugendes Nicken oder klagendes Kopfschütteln, bevor ich am Ende der Pause erleichtert wieder meinen Sitz einnehme. Viele der Argumente kann ich nachvollziehen, aber manches scheint mir doch zu fanatisch. Als eine ältere Lehrerin ihr Gedicht "Mein Traum unter einem Baum" vorträgt, muss ich mir mehrmals schmerzhaft in den Arm kneifen, um nicht laut loszulachen. Zum Glück verdreht auch Hagen bei dem Sonett seine Augen und drängt mich zum Ausgang. Auf der Heimfahrt sage ich nicht viel, im Gegensatz zu Hagen, der sich wie der Teufel in Rage redet. Ich lasse ihn sprechen und gebe mich meinen Grübeleien hin.
Zu viele neue Eindrücke schwirren durch meinen Kopf. Durch das Treffen habe ich eine genaue Vorstellung von den Gegnern und ihrer Vorgehensweise gewinnen können. Und auch wenn das empörte Engelchen auf meiner Schulter eifrig beginnt, Protestbuttons zu stanzen, gewinnt meine neue verwerfliche Idee zunehmend an Gestalt.
Einen Tag nach dem Zusammenstoß, fühlt Paul sich noch immer leicht benommen. Antriebslos lässt er das Frühstück ausfallen und auch gegen Mittag verspürt er keinen Hunger. Stundenlang liegt er regungslos auf seinem Bett und starrt an die Decke. Obwohl er müde ist, kann er keine Ruhe finden. Mehrmals in der vergangenen Nacht war er aufgewacht und hatte sich anschließend schlaflos von einer Seite auf die andere gewälzt. Und auch jetzt beschäftigen ihn die Neuigkeiten des Vortages so sehr, dass er an nichts anderes denken kann. Obwohl sein Verstand unaufhörlich um die letzten Ereignisse kreist, hat er keine Ahnung, wie er sich nun verhalten soll.
Die unsanfte Begegnung mit dem Fußball war zwar schmerzhaft, hatte ihn allerdings auch vor einem peinlichen Auftritt in Johns Büro bewahrt. Hierüber ist Paul sehr froh. Auch wenn er nach wie vor der festen Überzeugung ist, den Job abgeben zu müssen, ist ihm
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