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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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dankbar zeigst. Doch solltest du deine Zunge hüten, sonst …«
    »Sonst was?«, wollte sie wissen. »Ihr werdet mir kein Haar krümmen, denn Ihr braucht mich wie die Luft zum Atmen. Allein meine Fähigkeiten sind es gewesen, die Euch Saladins Gunst eingetragen haben.«
    »Das ist wahr«, gab er unumwunden zu, »doch wenn dieser Feldzug scheitert, ist es damit vorbei. Dann wird Saladin nicht zögern, mich für den Fehlschlag verantwortlich zu machen.«
    »Dann, Herr «, sagte sie mit vor Sarkasmus triefender Stimme, »solltet Ihr mich gut behandeln, denn ich bin die einzige Verbindung, die es zum Reich des Priesterkönigs noch gibt.«
    »Glücklicherweise nicht«, konterte er gelassen. »Ich habe vorhin Nachricht erhalten, dass zwei feindliche Späher aufgegriffen wurden. Sie werden uns den Rest des Weges weisen. Deine Dienste, Kind, werden nicht länger benötigt.«
    »Aber – was wird Saladin sagen?«
    »Wenn ich diese Mission erfolgreich beende, wird er mich mit Gold überschütten, und mein Einfluss am Hof wird grenzenlos sein. Mehr wollte ich nie.«
    »Ich verstehe.« Sie nickte, Tränen stiegen ihr in die Augen.
    Natürlich. Nur darum ist es ihm gegangen …
    »Wache!« Er nickte den beiden Männern zu, die vor dem Gefangenenzelt postiert waren. Sofort traten sie näher, die Speere bedrohlich gesenkt. »Führt sie ab«, sagte Mercadier ohne Zögern. »Sie hat ihre Schuldigkeit getan.«

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11
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    »Die größeren Pforten der Festung sind aus Sardin mit Einmischung vom Horn der Hornschlange, damit sich keiner mit Gift hereinschleichen kann; die übrigen sind aus Ebenholz.«
    Brief des Johannes Presbyter, 219 – 221
    Bergfestung, Zagrosgebirge
Nachmittag des 7. Juni 1187
    Über die Zugbrücke, die sich über den schwindelerregenden Abgrund spannte, waren die Ochsenkarren in den Vorhof der Felsenburg gelangt – und mit ihnen auch Rowan.
    Im Innenhof, der sich jenseits der Brücke und des von Türmen gesäumten Tores erstreckte, herrschte geschäftige Betriebsamkeit; Rowan sah Soldaten, die wie die Wachen am Tor gekleidet waren und Tuniken aus Fell oder Wolle trugen, aber auch Knechte und Mägde, dazu Kinder, die lachend umherrannten und sich mit jungen Hunden balgten.
    Aus Stein gemauerte Ställe, Scheunen und Vorratskammern sowie eine Schmiede und eine Küche säumten die Mauern, die das Plateau umfassten, vom Tor auf der einen bis zur steil aufragenden Felswand auf der anderen Seite. Eine hohe, schwer bewachte Pforte bildete den Zugang zur eigentlichen Festung, die tatsächlich aus einer Unzahl von Höhlen zu bestehen schien, die den Berg bis hinauf zum Gipfelplateau durchzogen.
    Rowan war beeindruckt. Er wusste, dass auch die Ritterorden in Palästina Felsenburgen unterhielten, die sie nicht selten von den Orientalen übernommen hatten, jedoch war keine von ihnen auch nur annähernd so groß und mächtig wie diese. Als Mönch verstand er nicht allzu viel von Kriegsdingen, aber so, wie sie über den Wolken thronte, mit dem Fels des Berges als Mauer, wirkte die Festung nahezu uneinnehmbar. Dennoch musste es ihm gelingen hineinzukommen – vorausgesetzt, er wurde nicht vorher entdeckt!
    Die Wagen waren zum Stillstand gekommen, und einige Burschen hatten damit begonnen, sie abzuladen. Karren um Karren arbeiteten sie sich voran, Rowan blieb nicht viel Zeit. So gut es ging, blickte er sich von seinem Versteck aus um. Sein Karren war unmittelbar vor einer der Scheunen zum Stehen gekommen, das Tor stand halb offen. Die Entfernung betrug nur wenige Schritte, vielleicht, wenn Rowan schnell war …
    Ein vorsichtiger Blick zu den Burschen, die einen weiteren Karren entladen hatten und sich mit den Treibern unterhielten.
    Jetzt!
    So rasch er konnte, wühlte sich Rowan unter den Bündeln hervor, bemerkte jetzt erst das krabbelnde Getier, das sich auf ihm niedergelassen hatte, scherte sich jedoch nicht darum. Schnell kletterte er vom Wagen, verharrte einen Augenblick lang in dessen Schutz. Dann, als sich nichts regte, flüchtete er durch das offene Tor in die Scheune, wo er sich eng an die steinerne Wand presste und mit heftig pochendem Herzen wartete.
    Nichts geschah.
    Draußen blieb alles ruhig, offenbar hatte ihn niemand bemerkt. Erleichtert wollte Rowan aufatmen – als er hinter sich ein Geräusch vernahm: knirschende Schritte auf steinigem Boden.
    Er fuhr herum und sah sich einem Stallburschen gegenüber, der nur unwesentlich jünger war als er selbst. Die schmalen Augen des Knechts weiteten sich, als er Rowan

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