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Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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den ›Presbyter‹ nannte, ein Reich, das jenseits des Morgenlands läge. Die Karawane sei jedoch in einen Hinterhalt geraten und aufgerieben worden. Er sei der einzige Überlebende, und sein Name sei Philippus.«
    »Philippus«, flüsterte Rowan. »Der päpstliche Leibarzt.«
    »Nur ad-Din schenkte dem Mann, der kurze Zeit darauf an den Folgen der Entbehrung starb, keinen Glauben«, fuhr Cassandra unbeirrt fort, »doch die Kunde erreichte das Ohr von Saladin, der bereits damals ein überaus mächtiger Heerführer war. Nach dem Tod Nur ad-Dins erlangte er an seiner Stelle die Macht in Damaskus und begann, Krieg gegen die Christen zu führen. Dabei blieb er sich stets der Worte Philippus’ bewusst – und der Bedrohung, die jenseits des Morgenlands lauern mochte. Er schickte Kundschafter aus, die das Reich des Presbyters für ihn suchen sollten, doch nicht einer von ihnen kehrte zurück. Wie also sollte Saladin die Festung des Feindes finden?«
    Sie wartete, bis Bruder Cuthbert übersetzt hatte, dann berichtete sie weiter: »Eines Tages kam eine junge Frau an seinen Hof, von der es hieß, sie hätte die Gabe des zweiten Gesichts. Sie hatte Visionen von einem weit entfernten Ort, von einer Festung über den Wolken, von schneebedeckten Berggipfeln und Bildern aus Stein. War dies vielleicht der Ort, an dem sich der Priesterkönig verbarg? Was die junge Frau in ihren Träumen sah, war nur vage und reichte nicht aus, um jenen Ort zu finden, doch es war ein Anfang, und ihr Meister, dem Saladin Reichtum und Macht versprochen hatte, wenn er das Reich des Presbyters fände, schmiedete einen Plan. Er vermutete, dass es unter den Christen Gelehrte gab, die mehr über den Aufenthaltsort des Priesterkönigs wussten, doch schienen ihnen entscheidende Hinweise zu fehlen. Was also lag näher, als beides zusammenzuführen und die Christen suchen zu lassen, was in Wahrheit Saladin zu finden hoffte? Also wurde die Frau nach Jerusalem geschickt, ein Köder, ein Hinweis, eine lebende Fährte, um die Christen dazu zu bringen, sich auf die Suche nach dem Reich des Priesterkönigs zu
machen.«
    Rowan nickte. Bruder Cuthberts Stimme, die alles sinngemäß ins Griechische übertrug, nahm er nur wie aus großer Entfernung wahr. Zu gern hätte er Cassandras Worte angezweifelt, aber auf eine bestürzende Weise ergab alles Sinn. »Also war alles nur Täuschung, von Anfang an geplant«, folgerte er tonlos. »Es war weder Zufall noch Fügung, die dich nach Jerusalem geführt hat.«
    »Nein«, gab sie zu.
    »Und die Feder des Phönix?«, erkundigte sich Bruder Cuthbert, der ruhig und gefasst wirkte, so, als überraschten ihn ihre Enthüllungen nicht sonderlich.
    »Eine Gänsefeder, überzogen mit Gold. Alles diente nur dem einen Ziel, den Priesterkönig ausfindig zu machen, auf dass Saladin den Feind in seinem Rücken vernichten könne. Zu diesem Zweck folgte uns eine Streitmacht im Abstand von mehreren Tagen.«
    »Wie war das möglich?«, fragte Rowan.
    »Ich habe Spuren hinterlassen«, gestand Cassandra und starrte beschämt zu Boden. »Bei jedem Halt, den wir machten. Bei jedem Nachtlager. Geknickte Äste, Steine am Wegesrand, versteckte Hinweise. Saladins Späher haben Augen wie Falken, nichts entgeht ihrem Blick.«
    Rowan stand wie in Trance, wusste nicht, ob er lachen oder vor Schmerz und Enttäuschung laut aufschreien sollte. Ein hässlicher Gedanke nach dem anderen kam ihm in den Sinn.
    »Und – jene Nacht in Abu Kemal?«, wollte er wissen.
    »Als diese Kerle mich überfielen, hatte ich die Herberge verlassen, um einen Gewährsmann Saladins zu treffen. Mein Schlafwandeln habe ich nur vorgetäuscht.«
    »Ebenso wie auf dem Dach der Karawanserei«, nahm Rowan an.
    »Du vermutest richtig.«
    »Ist das auch der Grund, warum du … warum wir …?«
    »Anfangs ja«, gestand sie beschämt und mit brüchiger Stimme ein. »Ich merkte, dass dein Meister mir misstraute, also musste ich einen Weg finden, seine Bedenken zu zerstreuen …«
    »… indem du seinem Schüler den Kopf verdreht hast«, ergänzte Rowan bitter. »Nun verstehe ich auch, warum du mir geholfen hast, Bruder Cuthbert zu suchen, nachdem er entführt worden war. Es war deine letzte Hoffnung, die Festung des Priesterkönigs doch noch zu finden.«
    Sie nickte wortlos.
    »Alles war Lüge.«
    »Nicht alles«, versicherte sie. Tränen lösten sich aus ihren Augen und rannen ihr über die Wangen. »Anfangs waren es nur Befehle, die ich befolgte, ein Auftrag wie viele zuvor. Aber dann

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