Das verschollene Reich
Araber, nicht so kräftig wie ein Schlachtross, jedoch offenbar kampferprobt, denn es zeigte nicht die Unruhe von Kathans Tier.
Im Abstand von vielleicht vierzig Schritten zügelte Kathan sein Pferd, und die beiden Gegner taxierten sich über das Plateau hinweg.
»Endlich!«, rief Kathan heiser hinüber. »Wenn du wüsstest, wie sehr ich auf diesen Augenblick gewartet habe. Hast du noch etwas zu sagen, Mercadier?«
Der Wind trug die Worte davon, sodass sie kaum zu hören waren. Augenblicke unerträglicher Stille verstrichen. Dann stieß Mercadier den Arm mit der Lanze hoch in die Luft.
»Allâhu akbar!« , rief er laut, während er sein Tier bereits antrieb.
»Deus vult!« , konterte Kathan und gab seinem Pferd ebenfalls die Sporen, doch das schreckhafte Tier brauchte einen Moment, um zu reagieren. Endlich trabte es an, trug seinen Reiter in den Kampf auf Leben und Tod. Rasch legte Kathan die Lanze ein, doch sein Gegner, der bereits in vollem Galopp heranstürmte, war deutlich im Vorteil. Im einen Moment jagten die beiden Kontrahenten noch aufeinander zu, dann begegneten sie sich bereits, noch ein gutes Stück bevor Kathan die Mitte des Kampfplatzes erreichte.
Es ging so schnell, dass das Auge kaum folgen konnte.
Ein panisches Wiehern, ein helles Bersten.
Beide Lanzen gingen zu Bruch, doch während Kathans Waffe am Schild seines Gegners zersplittert war, hatte die andere ihr Ziel gefunden.
Cassandra schrie entsetzt auf, als sie erkannte, dass die abgebrochene Spitze von Mercadiers Lanze in Kathans linkem Oberarm steckte. Offenbar war sie vom Schild abgeglitten und hatte daraufhin das Kettengeflecht der Rüstung durchdrungen.
Während Mercadier auf seine Hälfte des Kampfplatzes zurückjagte, um sich eine neue Waffe reichen zu lassen – diesmal eine lange Axt, wie die Reiter des Sultans sie benutzten – schien Kathan Probleme damit zu haben, sich aufrecht zu halten. Mehrmals drehte sich sein Tier im Kreis, während er sich immer weiter nach vorn beugte – und schließlich aus dem Sattel glitt.
Ein entsetztes Raunen erhob sich unter den Keraiten, als Kathan zu Boden ging. Fürst Ungh-Khan stieß etwas aus, das wohl eine Verwünschung war, hier und dort verfielen Männer in lautes Geschrei. Cassandra wollte den Turm verlassen, um Kathan zur Hilfe zu eilen, aber Rowan hielt sie fest. Der Kampf war noch nicht zu Ende!
In einem Willensakt, für den Rowan ihn nur bewundern konnte, trotzte Kathan allem Schmerz, zog die abgebrochene Lanzenspitze aus seinem Arm und warf sie von sich. Dann raffte er sich wieder auf die Beine, während Mercadier bereits heransprengte, die lange Axt schwingend.
Wieder ging ein Raunen durch die Reihen der Keraiten. Hände wurden gefaltet, Gebete gesprochen. Dann war der Gegner auch schon heran, ließ die Axt mit mörderischer Wucht herabsausen, doch Kathan wich mit einer unerwartet geschickten Bewegung aus, die hier und dort wieder ein wenig Hoffnung aufkommen ließ.
Wutentbrannt zügelte Mercadier den Araber und drehte ihn auf der Hinterhand herum, trieb ihn erneut auf Kathan zu, der rasch sein Schwert zog. Wieder ging die Axt nieder, traf lediglich den Schild, doch die Wucht, mit der dabei auf Kathans verletzten Arm gedroschen wurde, war so groß, dass dieser gequält aufschrie. Schlaff fiel sein linker Arm herab, der Schild entwand sich seinem Griff, sodass ihm nur noch das Schwert blieb, um sich zu verteidigen, während sein Gegner erneut auf donnernden Hufen heranstürmte.
Cassandra schrie auf, verbarg ihr Gesicht an Rowans Schulter, der zwar nicht weniger bestürzt war, den Blick jedoch nicht abwenden konnte. Atemlos sah er, wie Mercadier seinen Rappen ein wenig zügelte, um diesmal gezielter zuzuschlagen – und wie Kathan den Hieb mit der Keraitenklinge parierte! Geschickt drehte Mercadier das Reittier herum und griff von der anderen Seite an. Statt den Hieb diesmal gegen Kathans Körper zu führen, schwang er die Axt gegen die Klinge, und es rächte sich, dass Kathan im Umgang mit dem Keraitenschwert keine Erfahrung hatte. Der Stahl reagierte in seiner Hand sehr viel träger, als ein Breitschwert es getan hätte, und so konnte es geschehen, dass Mercadier ihm die Klinge aus der Hand schlug. In hohem Bogen flog sie davon, landete herrenlos auf dem glatten Fels, und Kathan sah sich seinem Erzfeind schutzlos ausgeliefert!
Die Keraiten schrien entsetzt auf. Ungh-Khans Hände hatten sich um das Gestein der Brüstung gekrallt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Seine Augen
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