Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das verschollene Reich

Titel: Das verschollene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
waren vor Entsetzen geweitet, als könne er bereits den Untergang seines Volkes sehen. Auch Rowan wagte kaum zu atmen, starrte entsetzt auf das grausame Schauspiel, das sich auf dem Kampfplatz anbahnte, als Mercadier den Rappen mit gefährlicher Langsamkeit auf seinen wehrlosen Gegner zu lenkte, die Axt in seiner Rechten wiegend und offenbar nur noch erwägend, wie er den letzten, tödlichen Hieb anbringen sollte.
    Kathan wich vor ihm zurück, in halb geduckter Haltung, die Arme von sich gestreckt wie ein Ringkämpfer. Konnte oder wollte er nicht begreifen, dass der Kampf vorüber, dass er längst besiegt war?
    Der Araber schnaubte, seine Hufe hämmerten über das blanke Gestein, als Mercadier zum finalen Schlag ausholte. Frontal hielt er auf seinen Gegner zu, um ihm anscheinend mit einem wuchtigen Schlag den Schädel zu spalten. Doch Kathan tat etwas, womit niemand gerechnet hatte. Statt von Furcht überwältigt zu verharren oder weiter zurückzuweichen, warf sich der schwarze Ritter plötzlich nach vorn, lief Mercadiers furchtbarem Schlag entgegen – und entging ihm auf diese Weise.
    Was für einen Augenblick lang wie eine planlose Verzweiflungstat ausgesehen hatte, ermöglichte es Kathan, den Hieb seines Gegners zu unterlaufen. Als die Axt niederging, war er bereits bei ihm, packte ihn am Waffengurt, und indem er sich nach hinten fallen ließ und sein gesamtes Körpergewicht zum Einsatz brachte, gelang es ihm, seinen Kontrahenten aus dem Sattel zu reißen.
    Wieder schrie die Menge auf – doch diesmal nicht vor Entsetzen, sondern in schierer Bewunderung.
    Der Araberhengst wieherte, bäumte sich erschrocken auf und jagte davon, während die beiden Kämpfer hart auf dem Boden landeten. Mercadier, der für einen Moment benommen schien, warf sich herum und wollte sich wieder auf die Beine raffen – als Kathan über ihm erschien, die Axt, die ihm zum Verhängnis hatte werden sollen, in der Rechten. Ein atemloser Augenblick, in dem die Zeit stillzustehen schien – dann fuhr die mörderische Waffe herab, durchschlug die Panzerung und grub sich tief in die Brust des am Boden liegenden Gegners.
    Blut spritzte hervor und besudelte Kathan, als dieser die Waffe zurückriss. Er holte aus, um ein zweites Mal zuzuschlagen, doch das Zucken, in das der zu Tode verwundete Körper seines Feindes verfiel, sagte ihm, dass der Kampf zu Ende war.
    Statt die blutbesudelte Waffe triumphierend in die Luft zu recken, wie es einem Sieger zugekommen wäre, warf er sie nur angewidert von sich. Das Geschrei, das daraufhin auf den Türmen und Wehrgängen der Felsenburg losbrach, war dennoch unbeschreiblich. Die Anspannung der vergangenen Tage brach sich in lautem Jubel Bahn. Die Krieger der Keraiten ballten triumphierend die Fäuste, umarmten einander, vergossen Freudentränen. Selbst der sonst so zurückhaltende Ungh-Khan fasste die Hand, die Bruder Cuthbert ihm reichte. Auch Rowan und Cassandra umarmten einander, dennoch glaubte er zu erahnen, wie bitter sich der Sieg für sie anfühlen musste. Ein Teil von ihr hatte mit Kathan gebangt und war dankbar und glücklich darüber, dass er den Kampf gewonnen hatte. Ein anderer Teil war zusammen mit Mercadier besiegt worden und gest…
    Rowan stutzte, als sein Blick auf den Kampfplatz fiel. Erschöpft war Kathan neben dem leblosen Körper seines Gegners niedergesunken, um ihm den Helm vom Kopf zu ziehen. Offenbar wollte er seinem Erzfeind ein letztes Mal in die Augen blicken. Doch der Haarschopf, der zum Vorschein kam, als Kathan die bayda herabzog, war pechschwarz, die Gesichtszüge des Toten die eines Orientalen! Erst als er hörte, wie Kathan mit heiserer, sich überschlagender Stimme den Namen seines Erzfeindes rief, begriff Rowan, was dies zu bedeuten hatte.
    »Mercadier! Mercadier!«
    Der Jubel verebbte.
    Ganz langsam begriffen immer mehr Keraiten, dass etwas nicht stimmte. Niemand von ihnen wusste, wie der Befehlshaber des feindlichen Heeres aussah, aber als sie bemerkten, wie sich ihr siegreicher Kämpe dort unten gebärdete, wurde ihnen klar, dass er getäuscht worden war … und sie mit ihm.
    »Mercadier, du verdammter Bastard! Hast du nicht den Mut aufgebracht, selbst zu kämpfen?« Kathan hatte sich erhoben, wankte hin und her, die rechte Hand auf die Wunde pressend und dabei wie von Sinnen schreiend. »Ist das die Art und Weise, wie du deine Versprechen hältst? Du bist schon immer ein feiger Hundesohn gewesen, Mercadier, und jetzt hast du aller Welt gezeigt, dass du …«
    Weiter kam

Weitere Kostenlose Bücher