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Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Titel: Das Verschwiegene: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linn Ullmann
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große braune Ledertasche auf den Schoß, öffnete sie und holte ein Buch heraus. Sie legte es auf den Tisch. Auf dem Cover war ein Schwarzweißfoto zu sehen, von einem kleinen Mädchen mit braunen, lockigen Haaren, dunklen Augen und einem etwas zu groß geratenen gepunkteten Höschen. Amanda holte tief Luft. Sie sprach langsam.
    »Dieses Buch habe ich vor vielen Jahren im Zusammenhang mit einer Ausstellung gemacht. Ich dachte, Sie hätten vielleicht Lust, es sich anzuschauen.«
    Das Bild muss im Sommer aufgenommen worden sein, dachte Jon, das Mädchen trug nur ein gepunktetes Höschen, und seine Haut war ganz braun. (Das konnte man sehen, auch wenn es eine Schwarzweißaufnahme war.) Der dünne Bauch, an dem sogar die Rippen erkennbar waren, war braun. Die kleinen Brustwarzen an der Stelle, an der sich später die Brüste entwickeln würden, waren braun. Das Mädchen lächelte nicht, sondern starrte direkt in die Kamera.
    »Warum heißt das Buch Amandas «, fragte Liv, die gerade Lesen gelernt und jetzt ihren Unsichtbarkeitsmantel abgelegt hatte.
    Amanda sah sie an und schüttelte den Kopf.
    »Weil …«, sagte sie, »… weil ich die Bilder gemacht habe … ich heiße Amanda … Mille und ich haben das Buch gemacht, als sie nur wenig jünger war als du.« Amanda nickte Liv zu. »In einem Sommer vor langer Zeit.«
    »Ich habe sie sehr gemocht«, sagte Alma und blätterte in dem Buch. »Aber sie hat ganz anders ausgesehen als auf diesen Fotos.«
    Sie legte das Buch weg und sah Amanda und Mikkel an.
    »Sie war hübsch. Sie hat mir gezeigt, wie man sich Smokey eyes macht. Und ich weiß noch, dass wir miteinander getanzt haben. Und sie hat mir erzählt, dass sie an Gott glaubt und ganz oft zu ihm betet, und sie hat mir erzählt, dass sie mit Ihnen Schere, Stein, Papier gespielt hat.«
    Alma nickte Mikkel zu, und Mikkel nickte zurück.
    »Ja«, sagte Siri, »wir müssen miteinander reden.«
    Sie machte eine Bewegung mit der Hand.
    »Aber können Sie nicht zuerst etwas essen? Sehen Sie nur. Es steht alles bereit. Guten Appetit.«
    Und Jon betrachtete den Tisch, den Siri gedeckt hatte, während er und die anderen auf ihren Stühlen gesessen hatten, er betrachtete das Buch, und das kleine Schwarzweißmädchen starrte ihn an. Er nahm eine Scheibe Brot und biss hinein. Es schmeckte gut. Das Brot war frisch. Er sagte: »Wir haben Mille ja nur den einen Sommer gekannt.«
    Er wandte sich an Amanda und Mikkel.
    »Vielleicht können Sie ein wenig erzählen. Es gibt so vieles, was uns interessieren würde. Es gibt so vieles, was wir nicht wissen.«
    »Aber auch uns würde einiges interessieren«, sagte Amanda. »Wir haben ebenfalls Fragen. Darum sind wir hier. Sie müssen die vielen SMS entschuldigen, die ich Ihnen geschickt habe, all die Anrufe. Vor allem Sie, Jon. Ihnen habe ich sie ja geschickt. Das ist eigentlich nicht meine Art. Sie müssen mir verzeihen … Es ist einfach nur so, dass alles so … nichts ging gut. Und ich habe so viele Fragen. Und Mikkel hat so viele Fragen. Und wir stecken fest. Wir kommen nicht weiter.«
    Siri sah zu Alma, sie sah zu Jon und Liv, und sie sah zu den beiden, die gerade gekommen waren, und sie sah, dass sie sich etwas zu essen auf die Teller geladen hatten, und sagte: »Können wir nicht einfach ein wenig hier sitzen, etwas essen und über Mille sprechen? Geht das nicht? Ja«, sagte sie und legte beide Hände auf den Tisch. »Ja«, sagte sie noch einmal. »Ich denke, genau das sollten wir tun.«

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