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Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Das Verschwiegene: Roman (German Edition)

Titel: Das Verschwiegene: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linn Ullmann
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können wir nicht. Das ist kein richtiger Weihnachtsbaum. Und Jon und Alma und Liv gingen weiter, vorbei an zugeschneiten Lichtungen, vorbei an dem grünen See, der nicht grün war, sondern weiß wie alles andere.
    Und Jon sah über das Eis und sagte: »Vielleicht können wir hier einmal Schlittschuh laufen?«
    »Nein«, sagte Alma.
    Er drehte sich zu den Mädchen um. Sie waren dick eingepackt in Jacken, Mützen und Handschuhe. Alma schüttelte den Kopf und nahm Livs Hand in ihre.
    Jons Handy piepte. Er kramte in der Jackentasche und zog es heraus.
    »Nein«, wiederholte Liv.
    Heiligabend ist der schwierigste Tag des Jahres. Das können Sie sich sicher vorstellen. A.
    Jon steckte das Handy zurück in die Tasche. Er sah Alma an, sah Liv an. Sie standen im Schnee und riefen nach ihm.
    »Das machen wir nicht«, sagte Liv.
    »Was machen wir nicht?«, fragte Jon.
    »Hier Schlittschuh laufen«, sagte sie und rollte mit den Augen. Typisch Papa, nicht zuzuhören. Typisch Papa, der Einzige zu sein, der nicht wusste, was für alle anderen offensichtlich war – dass es nicht in Frage kam, hier im Wald Schlittschuh zu laufen.
    Jon und Alma und Liv gingen weiter. Schließlich kamen sie zu einer Lichtung, und in dieser Lichtung stand eine Tanne, und Liv blieb stehen und zeigte darauf.
    »Dort«, sagte sie. »Das ist unser Weihnachtsbaum«, und Alma und Jon nickten, und Jon machte sich daran, den Baum zu fällen, während die Töchter dabeistanden und zusahen.
    Siri machte Hammelrippchen und Kohlrabimus, Weihnachtswürste und Mandelkartoffeln, und Leopold bekam Nierchen, sein Leibgericht, aber er schnupperte nur an dem Futternapf, kehrte zum Kamin zurück und legte sich auf seine alte Decke. Den großen Kopf zwischen den Pfoten. Der lange dünne Körper. Das stumpfe schwarze Fell mit dem weißen Fleck auf der Brust. Jon war plötzlich nach Weinen zumute. Er sah aus dem Fenster auf den Schnee, der durch die Dunkelheit fiel, und erinnerte sich an den Sommer vor zweieinhalb Jahren, als Siri draußen durch das Nebelmeer lief, zwischen den Tischen schwebte und all die weißen Tischdecken um sie herumwirbelten.
    Die Nacht vor dem ersten Weihnachtsfeiertag verlief ruhig. Die Kinder schliefen. Siri schlief. Und am Morgen wachte Jon wie immer früh auf. Er stand auf, zog sich im Dunkeln an und schlich aus dem Zimmer. Die breite Treppe wand sich vom Dachgeschoss bis in die Kellerwohnung. Es war noch nicht lange her, dass Leopold am Ende der Treppe auf ihn gewartet hatte, entweder hier in Mailund oder zu Hause in Oslo. Jetzt lag er auf seiner Decke im Wohnzimmer und schlief.
    Jon ging zu ihm, bückte sich und streichelte ihm den Kopf, flüsterte: »Hallo, du. Wollen wir eine Runde drehen? Kommst du?«
    Leopold schlug die Augen auf und sah ihn an.
    »Wir gehen jetzt raus«, fuhr Jon fort. »Komm schon. Hoch mit dir.«
    Leopold kam langsam auf die Beine, wankte leicht und wedelte mit dem Schwanz, als wollte er Jon und sich selbst versichern, dass er für einen Spaziergang bereit war. Es war immer noch dunkel, als Jon das Tor öffnete und mit Leopold an der Seite auf die Straße trat.
    Jennys Begräbnis war im Großen und Ganzen so verlaufen, wie Jenny es entschieden hatte. Sie trug ein rotes Seidenkleid, hochhackige schwarze Pumps, und die schwarze Handtasche, die sie so gern mochte, lag auf ihrer Brust.
    Jon hatte Siri zu der Pfarrerin begleitet, die das Begräbnis halten sollte. Die Pfarrerin, die Bente hieß, sagte, sie würde sich freuen, mehr über Jenny zu erfahren.
    Ihm fiel auf, dass sie den Namen betonte, vermutlich um zu zeigen, dass sie sich wirklich interessierte.
    »Hallo, Siri «, sagte Bente und streckte ihr die Arme entgegen.
    Siri wich zurück, und Jon musste sie in die Hand kneifen, damit sie nicht sofort davonstürmte.
    Sie setzten sich auf Sprossenstühle rund um einen braunen Resopaltisch im Büro der Pfarrerin, Siri und Jon bekamen Kaffee aus einer weißroten Thermoskanne, der in Pappbechern serviert wurde. Bente war neu in der Stadt, hatte den überwiegenden Teil ihres Lebens in Trondheim verbracht, war etwa fünfunddreißig und hatte lange, dunkle, lockige Haare, die sie hochgesteckt und mit einer großen Blumenspange befestigt hatte. Ihr Mund war etwas zu stark geschminkt, und die Brillenfassung bunt gestreift. Siri hatte am selben Tag ein Interview mit ihr in der Zeitung gelesen, woraufhin sie das Ganze am liebsten abgesagt hätte.
    In dem Interview ging es um das Auffinden von Milles Leiche und KB s

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