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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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seine Fangquote erhöhen will. Sie verstehen nichts. Für Sie bin ich eine Verbrecherin wie jede andere. Aber ich habe kein Verbrechen begangen, Herr Polizist!«
    »Als was würden Sie Ihre Tat denn bezeichnen?«, fragte er vorsichtig.
    »Sie wollte mir mein Kind stehlen! Es war nicht das Kind dieser Türkin. Es war mein Kind, das sie hatte. Das Kind von meinem Mann und mir. Aus dem Eisschlaf zum Leben erweckt. Es war der letzte Embryo, der noch übrig war. Die letzte Chance. Sie hat nur ihre Gebärmutter zur Verfügung gestellt und viel Geld dafür kassiert. Wer ist hier die Verbrecherin? Die Kindsräuberin oder die Mutter, die ihr Fleisch und Blut verteidigt?«
    Stephan legte die Stirn in Falten. Was redete sie da? Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
    »Hat Ihr Mann Ihnen das so erklärt? Hat er Ihnen eines Tages weisgemacht, er habe eine Leihmutter für den letzten Ihrer Embryonen gefunden? Und Sie haben sich einverstanden erklärt, weil Sie befürchteten, dass die Prozedur bei Ihnen wieder fehlschlagen könnte?«
    Sie nickte. »Er gestand mir, dass er hinter meinem Rücken den Embryo in der Klinik unseres Freundes habe verpflanzen lassen. Er wollte warten, bis die zwölfte Woche vorbei war, und mich dann erst einweihen, weil er meine Enttäuschung und meine Depression nicht mehr ertragen konnte. Er zeigte mir die Ultraschall-Aufnahme und sagte, Özlem Onurhan, seine ehemalige Arzthelferin, werde das Kind für uns austragen. Es sei kein Problem, sie brauche das Geld. Von da an bekam ich regelmäßig Aufnahmen. Ich traf mich sogar mehrfach mit Özlem in der Stadt. Immer war die Rede davon, dass es mein Kind ist. Ich ließ ihr die besten Lebensmittel liefern, versorgte sie mit Eisen- und Vitamintabletten, ging mit ihr gemeinsam zu den nötigen Vorsorgeuntersuchungen. Ich sah auf dem Monitor, wie mein Kind wächst und sich bewegt, hörte sein Herz schlagen. Es war geplant, dass ich bei der Geburt dabei sein sollte.«
    Stephan hatte das Bild vor Augen, wie die beiden Frauen gemeinsam in die Klinik fuhren. Hatte die Kling sich dabei mit der Bauchattrappe kostümiert? Wollte sie der Umgebung eine Schwangerschaft vortäuschen, und wäre sie dann eines Tages mit dem Kind im Arm aus der Klinik herausgekommen, während die echte Mutter verschwand? Zu gerne hätte er sie jetzt nach den Einzelheiten gefragt, doch er durfte die Kling nicht weiter aufbringen. Er musste ihr zuhören.
    Die Kling schluchzte auf. »Doch plötzlich, wenige Tage davor, brach sie die Verbindung zu mir ab. Die Geburt durfte ich nicht miterleben. Ich rief Lutger an. Er beruhigte mich, sagte, ich solle sie nicht bedrängen. Das wäre manchmal so. Mein Mann meinte, wir sollten abwarten, vielleicht wolle sie mehr Geld, vielleicht habe sie eine Wochenbettdepression. Doch ich wollte nicht warten, ich suchte sie mehrfach zu Hause auf. Nie war das Kind da. Auf einmal rückte sie mit der Sprache heraus und sagte mir, es sei ihr Kind, und sie entscheidet, was damit passiert. Das sei gar nicht unser eingefrorener Embryo gewesen. Mein Mann hätte mir nur etwas vorgemacht. Inzwischen wollte er das Kind längst nicht mehr haben. Was für eine Lüge! Das konnte ich nicht zulassen, ich wollte, dass sie mir sagt, wo sie es versteckt hat. Sie beschimpfte mich. Sie nannte mich eine alte, vertrocknete Barbiepuppe im Mutterwahn. Eine wie ich würde mit Kindern und Familie gar nicht zurechtkommen. Was bildete die sich ein? Da konnte ich nicht mehr und habe ihr den Hals zugedreht.«
    »Und Svenja Stummer?«, fragte Stephan.
    Die Augen der Kling wurden schmal. »Die ist um keinen Deut besser. In der SMS , die sie dir geschrieben hat, lese ich, dass sie weiß, wo das Kind ist. Doch dann will sie plötzlich wissen, warum ich so ein großes Interesse daran habe, das zu erfahren. Ich versuchte, eine Ausrede zu finden. Doch sie wusste von unserem Kinderwunsch. Da ist sie selbst auf die Idee gekommen, dass die Türkin für uns als Leihmutter fungiert hatte. Sie drohte damit, das anzuzeigen. Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, sagte sie. Das konnte ich nicht zulassen!«
    Stephan hatte registriert, dass die Kling ihn inzwischen wieder duzte. Vielleicht war es vertrauensbildend, wenn auch er zum Du überging. Ein wenig wuchs seine Zuversicht, sie und das Kind heil nach unten bringen zu können.
    »Du hast in beiden Fällen unter dem Einfluss starker Affekte gestanden. Bestimmt wird das berücksichtigt. Und du hast sicher die Möglichkeit, dir einen guten Anwalt zu besorgen.«
    Sie starrte

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