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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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einmal.«
    Er nickte und blickte an ihr vorbei zur großen Wiese, als könnte er von dort erfahren, wie es nun weitergehen sollte. Noch waren sie auf einer unverbindlichen Ebene und hatten die Möglichkeit, sich wieder freundlich voneinander zu verabschieden und ihrer Wege zu gehen. Er wusste längst, dass er das nicht wollte, und suchte nach einem Übergang, den dann zu seinem Erstaunen sie anbot: »Das Wiedersehen sollten wir ein bisschen feiern, findest du nicht?«
    »Doch«, sagte er und merkte, dass er verlegen wie ein Schuljunge wurde.
    »Heute Abend um acht Uhr im ›Basilikum‹ auf der Berger?«, fragte sie.
    »Ja«, bestätigte er.
    Sie strahlte. »Ich freu mich«, sagte sie, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und lief davon.
    Am Parkausgang wäre sie beinahe mit einem jungen Mann zusammengestoßen, als dieser unvermittelt hinter einem Busch hervor auf den Weg trat. Sie entschuldigte sich und lief weiter.
    »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, sagte Hölzinger zu Stephan.
    »Musst du auch nicht«, erklärte Stephan, der sich plötzlich in aufgeräumter Stimmung befand. Er ließ den verblüfften Kollegen stehen und trabte zu seiner großen Runde um den Park an.
    *
    Sie stand eine Weile vor der verschlossenen Wohnungstür. Reste des Polizeisiegels waren noch zu erkennen, aber jetzt war es endlich beseitigt. Beim letzten Mal hatte sie nicht gewagt, das Siegel zu brechen. Sie lauschte noch einmal eingehend an der Tür, bevor sie langsam und leise den Schlüssel in das Schloss schob. Die Tür sprang auf, und sie glitt vorsichtig in den Flur der Wohnung. Es roch anders als beim letzten Mal. Nach Chemie und Putzmitteln. Ihr Blick fiel sofort auf die Garderobe. Ihre Jacke hing tatsächlich immer noch dort neben Hatices Ledermantel und dem Mantel von Sümeyye, Özlems Schwester. Wie dumm von ihr, diese Jacke zu vergessen, doch keiner schien Notiz davon genommen zu haben. Sie atmete bebend ein und blieb einige Minuten reglos lauschend stehen. Dieses Mal schien niemand in der Wohnung zu sein. Oder versteckte er sich irgendwo, vielleicht wieder in dem Schrank, so wie sie es schon einmal vermutet hatte? Nein, das konnte nicht sein. Die Tür des alten Möbelstücks knarrte. Sie hätte beim Hereinschleichen hören müssen, wenn jemand dort verschwunden wäre. Und wenn er einfach nur still dastand und auf sie wartete? Sie bewegte sich mit kleinen Schritten vorwärts. Links ging eine Zimmertür ab. Die war geschlossen. Rechter Hand war die Küche. Langsam schob sie sich zum Türrahmen und linste durch die Öffnung. Grelles Tageslicht flutete durch das Fenster. Ihre Augen mussten sich einen Moment an die gleißende Helligkeit gewöhnen. Die Küche war leer. Hier hatte jemand aufgeräumt und alles picobello gereinigt. Sie machte noch einen Schritt. Nach der Küche kam das Bad. Die Tür war angelehnt. Ihr Herz pochte zum Zerspringen. Ganz zart tippte sie das Türblatt an, bereit, jeden Augenblick zurückzuspringen und zu fliehen. Die Tür schwang auf. Leer! Ihre Schultern sanken herab. Doch ganz entspannte sie sich noch nicht. Er könnte hinter der Tür lauern. Sie drückte die Tür so weit auf, bis sie an der Wand anschlug. Nein, hier war wirklich niemand. Sie atmete bebend aus, wandte sich wieder in den Flur, nahm die Jacke vom Bügel und zog sie hastig über. Sie spürte, dass ihre Gliedmaßen wieder zu zittern begannen. Noch immer steckte ihr die Panik in den Knochen. Niemals würde sie das alles vergessen können! Jetzt hatte sie die Jacke und konnte endlich gehen, gehen für immer, um niemals wieder an diesen schrecklichen Ort zurückkommen zu müssen. Hatte sie wirklich alle Spuren von sich beseitigt? Sie schaute in Richtung der angelehnten Tür zum Wohnzimmer. Sollte sie es nun doch wagen, dort noch einmal hineinzugehen? Ihre Knie wurden weich. Nein, es ginge nicht. Sie würde sie wieder dort liegen sehen mit ausgebreiteten Armen, rücklings auf dem Teppich. So als habe sie sich entspannt zum Sonnenbad auf eine Wiese gelegt. Sie war zu ihr geeilt, wollte scherzhaft fragen: Hey, Mädchen, hast du keine schöne Couch zum Liegen? Die Augen waren das Schreckliche. Diese halb geschlossenen, blutunterlaufenen Augen und dann der geöffnete Mund, der stumm nach dem letzten Atemzug gerungen hatte. Dennoch hatte sie einen Versuch unternommen, sie wieder ins Leben zu holen. Sie glaubte, in den Wangen einen Rest von Wärme zu spüren. Sie schlug vorsichtig darauf, rief ihren Namen. Der Kopf fiel schlaff zur Seite. Aus dem Mund

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