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Das verschwundene Kind

Das verschwundene Kind

Titel: Das verschwundene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Frevel, so ein schönes Zimmer ungenutzt verkommen zu lassen. Meinst du nicht?«
    »Ja«, sagte er knapp. Daraus war kaum die Begeisterung zu hören, die sie vielleicht erwartete.
    »Hast du eine Idee?«, hakte sie nach.
    Er schwieg einen Moment und wich ihrem fragenden Blick aus. »Du könntest Julia fragen, ob sie lieber in dieses Zimmer möchte«, schlug er vor.
    »Julias Zimmer nach vorn hinaus ist größer. Der Straßenlärm macht ihr nichts aus«, erklärte sie.
    »Du könntest dir hier ein ruhiges Arbeitszimmer einrichten«, war seine nächste Idee.
    Sie nickte, was er erleichtert registrierte. »Oder ein Schlafzimmer«, meinte sie vorsichtig. »Das abendliche Bettenbauen im Wohnzimmer ist umständlich.« Sie beobachtete lauernd seine Miene.
    »Ein Schlafzimmer steht den ganzen Tag leer. Das ist Platzverschwendung«, erklärte er.
    Nun wich sie seinem Blick aus und schaute in die Runde. Dann machte sie einen entschlossenen Schritt über einen Karton und stand vor einem großen Schrank aus dunklem Holz.
    »Egal, was aus diesem Zimmer wird. Auf jeden Fall werde ich dieses Ungetüm entsorgen.« Sie drehte den Schlüssel um und zog die Schranktür auf. Der modrige Geruch reizte Lars’ Schleimhäute. Plötzlich wusste er, was ihn vorhin so aufgeschreckt hatte. Wo war ihm dieser Geruch in letzter Zeit begegnet? Und er erinnerte sich.
    »Willst du ihn zum Sperrmüll geben?«, fragte er.
    »Nein«, wehrte Maren ab. »Das ist ein Erbstück von einer Großtante. Ein antiker Mahagonischrank. Wenn man genügend Platz rundherum hat, sieht er sogar ganz gut aus. Aber in so einem engen Zimmer macht er alles auf Anhieb zu dunkel. Ich werde ihn verkaufen.«
    »Über E-Bay?«, fragte Lars.
    Maren schüttelte den Kopf. »Da weiß man nie, welche Leute man sich ins Haus holt. Ich habe bei einem Antiquitätenhändler angerufen. Er meint zwar, es gäbe gerade keinen Markt für solche Möbel, aber er will ihn sich einmal ansehen.«
    »Ansehen?«, fuhr Lars auf.
    Maren musterte ihn irritiert. »Ja, wieso nicht?«
    »Wann?«, fragte er.
    Maren runzelte die Stirn. »Übernächste Woche. Mittwochnachmittag.«
    »Mittwochnachmittag?«, wiederholte Lars nachdenklich, und Maren beobachtete ihn verständnislos.
    »Stört dich etwas daran?«, forschte sie.
    Lars schüttelte abwesend den Kopf. »Wie bist du an den Händler gekommen?«, fragte er.
    »Branchenverzeichnis. Gleich bei A.«
    »Und er sagte sofort den Hausbesuch zu?«
    »Nicht sofort. Erst hatte er noch einige Fragen.«
    »Welche Fragen?«
    »Größe. Aussehen. Geschätztes Alter.«
    »Von dir?«
    »Des Schrankes! Was glaubst du denn«, entrüstete Maren sich. »Was soll überhaupt die Fragerei?«
    Lars blieb hartnäckig. »Erinnere dich doch bitte ganz genau! Hat er in irgendeinem Zusammenhang durch seine Fragen etwas über dich herauszufinden versucht? Hast du ihm Informationen über dich gegeben?«
    Maren dachte nach. »Na ja, wir haben uns ein bisschen unterhalten. Er war sehr nett. Ich habe ihm von der Erbtante erzählt und wie gut sie ihre Möbel pflegte und dass ich den Schrank früher in unserem großen Haus im Taunus im Gästeschlafzimmer stehen hatte. Und dass ich jetzt nach dem Umzug keinen rechten Platz mehr dafür habe.«
    Lars fiel ihr kopfschüttelnd ins Wort. »Und so nach und nach hat er in diesem Gespräch erfahren, dass du jetzt allein mit deiner Tochter hier in dieser Wohnung lebst!«
    »Von Julia habe ich ihm nichts erzählt«, sagte Maren trotzig. »Aber ich sagte ihm, dass übernächste Woche keine Ferien mehr sind und ich nur noch spät am Nachmittag kann. Daraus konnte er vermutlich schließen, dass ich Lehrerin bin und allein wohne. Aber was ist daran so schlimm, bitte schön?« Sie funkelte ihn an.
    Er entgegnete bissig: »So was können nur Frauen.«
    »Was?«, zischte sie.
    »Die Schilderung ihrer kompletten Lebensgeschichte und -umstände in ein fünfminütiges Telefongespräch komprimieren. Und das mit einem Wildfremden.«
    »Immer noch besser als Männer, die es abends nicht fertigbringen, auch nur drei Worte über ihren Tag zu verlieren.«
    »Ah, soll das an mich gerichtet sein? Du vergisst, dass ich einen Beruf habe, in dem ich verpflichtet bin, gewisse Dinge zu verschweigen. Spielen wir jetzt diese alberne Wie-war-dein-Tag-mein-Schatz-Nummer?«
    »In funktionierenden Beziehungen spielt
so was
eine sehr wichtige Rolle!«, fauchte sie und fügte hinzu: »Allerdings glaube ich, dass wir im Moment gerade Polizeiverhör spielen.«
    »Das heißt

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