Das verschwundene Kind
zarten Tasten her.
»Die Eingänge sind gelöscht«, erklärte Heck.
»Ich habe diese SMS nicht bekommen«, brauste Stephan auf.
»Die Eingänge sind bei dir gelöscht bis zu dem Todestag der Stummer. Die Nachrichten, die du danach bekommen hast, sind alle da. Maren. Maren. Maren. Das ist ein Diensthandy!«, polterte Heck.
Stephan wurde blass. »Ich verstehe das nicht!«, stammelte er.
Heck beugte sich weit vor und sah ihn beschwörend an. »Denk nach, verdammt noch mal! Hast du diese SMS bekommen, falsch verstanden und aus Versehen gelöscht?«
»Nein, habe ich nicht!«
»Hatten andere Personen Zugang zu deinem Handy?«
»Nein.« Im selben Moment meldete Stephans Handy in Hecks Hand den Eingang einer SMS . Es brummte und ließ einen Dreiklang ertönen. Heck schaute auf das Display.
»Schon wieder Maren«, stellte er fest und reichte Stephan das Handy zurück.
Der saß völlig erstarrt an seinem Platz. Der Signalton hatte eine Erinnerung in ihm geweckt, und er berichtete Heck und Hölzinger, wie er bei der Kling zur Shiatsu-Behandlung war und deutlich gehört hatte, dass draußen in seiner Jacke eine SMS angekommen war. Später hatte er vergessen nachzusehen. Heck schien sich mit dieser Erklärung zunächst einmal zufriedenzugeben.
»Dann musst du jetzt ganz besonders scharf nachdenken! Wir sind jetzt der Lösung so nah wie noch nie. Welche Person in dieser Praxis hätte die Möglichkeit gehabt, an deine Jacke zu gehen und die SMS zu lesen und zu löschen?«
Stephan versuchte, sich an die Abläufe zu erinnern. »Am Schluss war ich auf der Toilette, da hing meine Jacke immer noch im Flur. Im Grunde kämen die Sauer, die Kling, Florian Sauer und vielleicht sogar eine unbekannte Person, die ich nicht zu Gesicht bekam, in Frage.«
Heck kniff die Augen zusammen. »Schon wieder dieser Florian Sauer!«, grunzte er.
»Als Ernestine Hoff ihn nach dem Mord an der Stummer befragte, hat er nur äußerst knapp geantwortet. Seine Trauer über den Tod seiner Ex-Verlobten hielt sich übrigens in Grenzen. Im Grunde hatte er nur das gesagt, was wir schon wussten. Er bleibt dabei, zu Hatice Ciftci keine Hintergründe zu wissen. Dennoch! Tine wurde das Gefühl nicht los, dass er viel mehr weiß, als er zugibt. Meine Hypothese: Die Ciftci hat Florian Sauer wegen des Kindes erpresst, und er hat sie beiseitegeräumt. Das Kind hat er ermordet und die Leiche irgendwo versteckt. Die Stummer hat Verdacht geschöpft, vielleicht sogar durch eine Unachtsamkeit von ihm etwas herausgefunden. Nachdem sich die Stummer mit ihm überworfen hatte und vielleicht damit gedroht hat, alles preiszugeben, hat er die Stummer verstummen lassen.«
Heck sprang auf. »Komm, Hölzinger, wir nehmen uns das Arztsöhnchen jetzt sofort noch einmal vor!«
Hölzinger rutschte langsam von der Tischkante und streckte die Beine wie eine Katze nach dem Sonnenbad, was Heck mit kritischer Miene beobachtete.
»Vor allem sein Alibi am Mordtag der Stummer müssen wir noch einmal überprüfen! Kino! Wie hieß der Typ, mit dem er dort war? Such das mal raus, Hölzinger! Ich habe nichts dagegen, wenn du dich beeilst!«
Hölzinger war mit einem Schritt an der Tür. Stephan erhob sich ebenfalls, doch Heck winkte ab.
»Du hältst hier Stallwache! Das machen jetzt mal wir beide.« Stephan ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken und starrte auf die Tür, die sich hinter den Kollegen geschlossen hatte. Er versuchte, Hecks Reaktion zu verstehen. Er fühlte sich bitter zurückgewiesen. Sein Blick glitt über die leergeräumte Arbeitsfläche. Alle Zeiger auf null stellen! Und wenn auch diese Hypothese Hecks eine Fehlspekulation war?
Stephans Gedanken wanderten zurück zu den ersten Momenten des Falls. Noch immer ärgerte es ihn, wenn er an sein unprofessionelles Verhalten von damals dachte. Und dann auch noch dieser dumme Zufall mit den Katzenhaaren. Zum Glück hatte sich das aufgeklärt. Was waren die wesentlichen Fragen, die noch offenstanden? Er zog sich ein leeres Blatt heran und schrieb auf: Motivlage für beide Morde? Ein Täter oder zwei? Tatwerkzeuge? Fatimas Hand? Dann fiel ihm noch eine ungeklärte Spur ein. Er sprang auf und griff nach seiner Jacke. Zurück auf Start, lautete sein Selbstbefehl. Gut erinnerte er sich an seinen ersten Spaziergang durch Offenbach zu Beginn der Ermittlungen im goldenen Oktober. Jetzt im Novembernebel erkannte er die Straßenzüge fast nicht wieder. Er ging vorbei an der Praxis Kling. Die Umrisse des Hauses verschwammen im
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