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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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die da auf dem Boden lag.«
    »Ach ja, jetzt erinnere ich mich. So eine kleine. Jetzt hör mal zu, Emma …«
    »Was ist damit? Was? Ist? Damit?« Das sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen, damit er kapierte, dass das kein Witz war und dass ich es ernst meinte.
    Er kapierte es. Und sagte es mir.
    Ich rannte gleich wieder die Treppe hoch bis ganz oben. Aurora hatte ihre Spielkarten vor sich und spielte ihre Version von Solitär.
    »Wird ja Zeit! Und wo ist mein Drink?«
    »Wo ist dein Revolver?«
    »Den wollte dein verrückter Bruder für irgend so eine extravagante Theatersache.«
    »Du überlässt Will eine Schusswaffe?«
    »Ach, jetzt sei doch nicht so dramatisch, Miss!« Sie klatschte einen Kreuzbuben auf eine Pikdame. »Das seid ihr Grahams aber alle. Ihr macht ein Tamtam, als würdet ihr für ein Broadway-Stück vorsprechen. Wir Paradises dagegen sind aus nüchternem Holze geschnitzt. Uns würde man nicht dabei ertappen, dass wir irgendeiner närrischen Mordgeschichte hinterherrennen oder in der Garage verrückt spielen und irgendein närrisches Stück inszenieren …« Platsch, landete der Herzbube auf der Karodame. Aurora schummelte sogar beim Solitär.
    »Du hast Will also den Revolver überlassen. Ein schönes Beispiel, aus was für einem nüchternen Holze die Paradises geschnitzt sind, muss man schon sagen.«
    Sie hob eine knochige Hand wie eine der Hexen in Macbeth (was mir bloß deswegen vertraut war, weil Will und Mill davon redeten, es mal inszenieren zu wollen). »Jetzt pass du aber auf, wie du hier mit deinen Altvorderen redest, Miss! Ich sagte doch, die Waffe war gar nicht geladen. Ich werd so einem Bürschchen doch keine geladene Waffe leihen.«
    »Gar keine solltest du ihm geben …« Nachdem Aurora ja aber auch nicht gerade die Großzügigkeit in Person war, fügte ich hinzu: »Moment mal, wieso hast du …?«
    Sie schniefte. »Wir haben getauscht.«
    »Getauscht?«
    Sie legte die Karten hin und rollte zu ihrem Schrankkoffer hinüber, der immer offen stand. Ganz unten bei den Kleidersäumen kramte sie herum und förderte sodann eine Flasche Myer’s Rum zutage.
    Ich traute beinahe meinen Augen nicht.
    »Kann aber nicht sagen, wo er den her hat.« Selbstgefälliges Schniefen.
    »Will? Der hat dort hinten eine Destille.«
    Ich zischte ab und war zwei Minuten später an der großen Garage oben. Am liebsten hätte ich die Tür eingetreten, doch wenn die Waffe noch in Wills Besitz war, würde er mich vermutlich erschießen.
    Ich klopfte.
    »Ja?«
    »Mach sofort diese Tür auf, Will!«
    Natürlich eilte keiner herbei, um aufzumachen. Ich stand da und schäumte. Nach einer weiteren halben Minute schrie ich: »Ich rühr mich hier nicht von der Stelle!«
    Die Tür ging ein Stückchen auf. »Was?«
    Auf dem Kopf hatte er so einen vasenförmigen Hut mit Quaste, wie man ihn in Marokko trägt. »Was hast du denn da auf?«
    »Einen Fez.«
    Trotz allem, was passiert war, fand ich Wills Verrücktheit doch faszinierend. »Wieso? Soll euer Flugzeug in Marokko oder Kairo auftanken?«
    »Bist du deswegen hier? Um nach meinem Fez zu fragen?«
    »Nein, lass mich rein.«
    Will riss die Tür auf, und ich betrat ein Wunderland aus Lichtern und Schatten. Bleiche Schatten in Grün, Blau und Rosa fuhren über den Fußboden hin und her, untermalt von ein paar Scheinwerferlichtern. Das Garagendach war in einen Nachthimmel verwandelt, darauf glänzten Sterne und ein kleines Scheibchen neongreller Mond. Hinten in der dunklen Ecke war Chuck, der das alles verfertigt hatte, das Beleuchtungsgenie.
    Ich musste zugeben, es war großartig.
    »Also, was willst du? Wir haben zu tun.«
    »Die Waffe. Auroras Revolver, den sie bei dir gegen eine Flasche Rum eingetauscht hat.«
    »Ach, der. Ja, den haben wir auch grade gesucht. Den hat Paul sich vielleicht genommen.«
    »Hallo, Missus!«
    Paul war da oben zwischen den Dachbalken.
    »Paul? Wieso ist er dann nicht hier unten und steht Rede und Antwort …«
    »War er ja auch. Der hat ihn aber nicht genommen.« Will hatte seinen Fez abgesetzt und spähte hinein, als könnte die Waffe dort drin sein. »War sowieso nicht geladen.«
    »Nein? Jetzt aber schon. Ralph Diggs war gestern doch hier, oder?«
    Will und Mill schauten sich gegenseitig an. »Ja. Warum?«
    Sie hatten es natürlich noch nicht gehört. Wie denn auch – wenn sie hier in der großen Garage unter künstlichen Sternen und einem Scheibchenmond festhockten? »Weil es die Waffe sein könnte, die die Polizei neben seiner Leiche

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