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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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– vielleicht hatte ich ja einen Schock. »Wenn man einen Schock hat, benimmt man sich da seltsam?«, fragte ich Dr. McComb.
    Er nickte. »Das wirkt sich ganz unterschiedlich aus.«
    Ich stand auf, bereit zum Gehen. »Vielleicht hat Morris Slade ja einen Schock. Vielleicht ist er in den Wald gelaufen und hat sich verirrt. Sie sind nicht tief genug reingegangen.« Dies sagte ich an den Sheriff gewandt.
    Dr. McComb hielt mir den Wagenschlag auf, und ich stieg in seine alte Klapperkiste. Die stotterte zwar ziemlich, als er sie anlassen wollte, aber schließlich rumpelten wir wieder die Straße entlang.
    Wir überholten Mr Butternut, der mit erhobener Hand zu mir herübergrüßte. Ich grüßte zurück. Eins muss ich über Mr Butternut sagen: Er konnte ziemlich viel ab.
    Dr. McComb verlangsamte sein Tempo, als wir den Mirror Pond umrundeten und über die White’s Bridge kamen. »Na ja«, meinte er, während er ständig in einen anderen Gang schaltete. »Sam wird es schon hinkriegen.«
    Im Vorbeifahren stierte ich stumpfsinnig zum Silver Pear hinüber. »Klar. Der wird dem Falschen hinterherjagen.«

54. KAPITEL
    Ich hätte wieder eine Berühmtheit sein können, dachte ich, aber irgendwie war das nicht mehr so verlockend wie noch vor einer Woche.
    Dies ging mir durch den Kopf, während ich über die Hintertreppe zu meinem Zimmer hinaufstapfte. Dr. McComb hatte ich gebeten, mich doch bitte an der hinteren Auffahrt hinauszulassen, damit ich beim Reingehen mit niemandem reden musste. Auf dem Treppenabsatz zwischen zwei Stockwerken fiel mir dann aber ein, dass zum Reden heute Abend ja gar keiner da war.
    Nicht einmal Miss Bertha und Mrs Fulbright, denn irgendeine Freundin oder Verwandte von Mrs Fulbright hatte die beiden ausgeführt. Und meine Mutter und Mrs Davidow waren bei den Custis auf der anderen Seite des Highways auf einer Party.
    Am nächsten Morgen hatte das Hotel Paradise dann die Nachricht erhalten. Mrs Davidow, Ree-Jane und meine Mutter hatten sich in der Küche versammelt und warteten, bis ich endlich bedröselt zum Frühstück herunterkam. Wenn Ree-Jane je einmal vor acht Uhr auf war, dann standen die Chancen, dass etwas Dramatisches passiert war, um ein Hundertfaches höher.
    Ree-Jane war »am Boden zerstört« von der Nachricht über »Rafe, den armen Rafe«. Ich riet ihr, sich doch am besten auf den Boden zu schmeißen, denn das würde allen zeigen, wie sie sich fühlte.
    Mrs Davidow wollte alles ganz genau wissen und war schon drauf und dran, mir eine Bloody Mary anzubieten, als ihr einfiel, dass ich ja erst zwölf war. »Wer hat ihn erschossen? Hat Morris Slade ihn erschossen?«
    »Ogottogott!«, heulte Ree-Jane.
    Meine Mutter band sich ihre Küchenschürze um und meinte, wenn mir nicht nach Servieren zumute sei, könnte Walter ja aushelfen. »Vielleicht war es Selbstmord«, sagte sie etwas durcheinander.
    »Ganz bestimmt nicht«, sagte ich. Sie zuckte bloß die Schultern und informierte Mrs Davidow, dass kein Gewürz für ihren Kürbisbiskuitkuchen mehr da sei.
    Da hatte ich grade eine Leiche gefunden, noch dazu die von jemand, den sie kannten, doch es hätte genauso gut ein toter Käfer sein können, so viel Wirkung hatte es auf sie. Sie machten einfach weiter wie immer, bloß übertriebener.
    Meine Mutter wandte sich dem Herd zu. Mrs Davidow rauchte und quatschte ihr die Hucke voll, probte vermutlich schon mal für die Reporter, die bestimmt bald auftauchen würden. Und Ree-Jane lief heulend in der Gegend herum.
    Ich fragte Mrs Davidow, ob sie für Großtante Aurora eine von ihren Bloody Marys machen würde, und sie willigte erfreut ein. Sie war immer erfreut, wenn es drum ging, einen Drink zu fabrizieren, egal für wen.
    So saßen wir nun um elf Uhr vormittags mit zwei Reportern auf der vorderen Veranda. Oder vielmehr ich saß da, denn Mrs Davidow, Ree-Jane und meine Mutter kriegten es einfach noch nicht in ihre Birne und gebacken, dass ich berühmt war.
    Als Ree-Jane gehört hatte, dass Reporter aus Cloverly und sogar Pittsburgh im Anrollen waren, hatte sie ihre Bermudashorts sofort gegen ein Heather-Gay-Struther-Kleid ausgetauscht, diesmal eines in einem munteren, morgendlich frischen Gelb, was für einen Trauerfall in der Familie vielleicht nicht so ganz das Richtige war, dafür aber für die Fotografen.
    Ich wies sie darauf hin, dass, falls Fotos gemacht würden, diese ja in Schwarzweiß in der Zeitung stünden. Sie ließ sich, während sie einen pfirsichorangefarbenen Schal arrangierte, davon

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