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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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unterbrach, indem ich die Autotür zuknallte. Dermaßen sauer war ich, mir von Delbert anhören zu müssen, wie arg es mir sein sollte.
    »Die Tatsache, dass er den dabei hatte, muss nicht heißen, dass er ihn auch benutzt hat.«
    Der Sheriff redete über Ralph Diggs. Ich traute meinen Ohren nicht. »Die Waffe gehörte Aurora Paradise«, sagte ich. »Er hat sie aus der Garage gestohlen. Die sollte in Wills neuem Stück verwendet werden.«
    »Du hast keine Ahnung, wovon du redest, Emma«, sagte der Sheriff, der auf seinem Drehstuhl saß und aussah, als würde ihn das Gewicht all der widrigen Umstände niederdrücken.
    »Die Sache is doch die«, schaltete Donny sich ein, »wenn er hin is, um Morris Slade umzubringen, wieso hat er dann nich seine eigene Knarre dabei, he?« Donny gluckste.
    Vielleicht die erste intelligente Idee, die der hatte.
    »Und er is ja auch der, der tot is, oder habt ihr das vergessen? Und der, der damals entführt wurde. Nich die reichen Morris Slades dieser Welt sind es, die am Ende verbluten, o nein …«
    »Donny. Halt die Klappe.«
    »Ja, hmmm, ich wollte ja bloß sagen …«
    »Du hast es gesagt.« Der Sheriff bedachte ihn mit einem eisigen Blick.
    Ich schaute ratlos vom einen zum anderen und begriff: Das war wieder so eine Geschichte, bei der Zeugen vom »Hörensagen« nicht zur Beweisführung zugelassen wurden. Und bei der der Sheriff sich seine Meinung bereits gebildet hatte. Wenn er jetzt nicht klar durchblickte, dann würde er es nie sehen, denn es war von so blendender Klarheit, dass man es, wenn man nur einmal zwinkerte, aus den Augen verlieren würde.
    Ralph Diggs war mit einer Schusswaffe ins Brokedown House gegangen, um Morris Slade umzubringen, weil er ihn hasste. Er hasste ihn, weil seine Mutter und Morris ihn verlassen hatten – nein, noch schlimmer: Ralph glaubte, sein Vater hätte ihn »entführen« und an einen Ort bringen lassen, wo niemand ihn je finden würde. Oder vielleicht hatte ja der glücklose Page vom Belle Ruin das Baby auch aussetzen sollen, so wie Moses in den Binsen.
    Ralph Diggs hatte vermutlich jede Menge Zeit gehabt, sich Szenen, Auftritte, ja ein ganzes Theaterstück auszudenken, um seinen Hass auf Morris Slade auszubreiten. Die Mutter, Imogen Slade, kam bei dem Ganzen irgendwie überhaupt nicht vor. Wieso, begriff ich auch nicht.
    Ich sagte: »Dass Ralph die Waffe hatte, ist ja noch kein Beweis , aber wenn er sie mitgebracht hat, dann bestimmt nicht zum Kaninchenjagen.«
    Donny sperrte den Mund auf und dann gleich wieder zu, als der Sheriff ihm erneut einen messerscharfen Blick zuwarf. »Emma«, sagte der Sheriff dann zu mir. »Ich glaube, dir wächst das Ganze übern Kopf.«
    Da spürte ich sie wieder, die kalten Wasser des Spirit Lake. »Nein. Überhaupt nicht. Wenn einer hier überfordert ist, dann sind das Sie. Sie entschuldigen mich.« Ich wandte mich um und ging hinaus.
    Die Hände in die Hüften gestützt, hoch auf ihrem Hocker thronend, bedachte Shirl mich mit einem stahlharten Blick.
    »Ähm, ich glaub, ich nehme einen schokoglasierten mit Streuseln.« Ich schenkte Shirl ein Lächeln, nahm meinen Donut auf einer Serviette, die mir Wanda reichte, und ging wieder zur hintersten Nische, wo ich mich hinsetzte und immer noch sauer war. Ich saß da, beguckte meinen Donut und überlegte, ob ich ihn überhaupt essen wollte.
    Maud tauchte mit einem Glas Cola auf, das sie vor mich hinstellte. Dann setzte sie sich zu mir. »Du siehst ja aus wie drei Tage Regenwetter.«
    »Der Sheriff glaubt mir nicht«, sagte ich frostig.
    »Was denn?« Sie zündete sich eine Zigarette an.
    »Das mit Morris Slade.«
    Ich saß mit dem Gesicht zum Eingang des Rainbow. Weil die Abtrennungen zwischen den Nischen aber so hoch waren, dass ich nicht sehen konnte, wer reinkam, bemerkte ich den Sheriff erst, als er direkt vor mir stand. Er setzte seine dunkle Brille ab und steckte sie mit einem Bügel in die Brusttasche. Dann lehnte er sich an die Nischenecke und lächelte. »Hallo. Hallo.«
    Ich schwieg ein paar Takte lang. »Haben Sie ihn ins Gefängnis gesteckt? Sie haben ihn wahrscheinlich verhaftet, obwohl er’s gar nicht getan hat.«
    »Korrekt. Ich verhafte gern Unschuldige.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?«, kam es von Maud.
    »Könnte ich eine Tasse Kaffee haben? Oder bedienst du den örtlichen Gesetzeshüter nicht mehr?«, wandte er sich an Maud.
    »Ach, ist das wirklich dein Job?« Sie lächelte süß. »Hört sich an, als würdest du da ein paar Beweismittel

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