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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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fünfundvierzig Jahre hier, Mervin. Wie kommt das, dass du in grade mal zehn oder fünfzehn hier gottverdammt alles über Junction weißt?«
    Mervin meinte ganz ruhig: »Alles weiß ich doch gar nicht, bloß dass Prunella Rice in Red Coon Rock wohnt.«
    Ich musste grinsen. Sollte er je einmal als Zeuge in einem Mordfall geladen sein, wäre Mervin der Traumzeuge, egal, für welche Seite, ob Verteidigung oder Anklage. Die Gegenseite würde es nämlich nie schaffen, ihn ins Wanken zu bringen. Oder dazu, dass er sich in Widersprüche verwickelte oder einen Rückzieher machte. Mervin ließ sich durch gar nichts beirren. Niemand konnte ihn kirre machen, nicht mal Perry Mason.
    Ich sagte: »In welchem Haus wohnt sie denn, wissen Sie das, Mr Mervin?«
    Darüber entbrannte natürlich eine Streiterei.
    »Ein Stück weiter oberhalb von Cary Grant Calhoun. Ist braun gestrichen, glaub ich«, sagte Mervin. »Bin mir aber nicht sicher. Ich weiß, im Hof steht ein kleiner Wunschbrunnen.«
    Billy ließ die Hand auf die Theke niedersausen, dass die Tassen aufschraken, ebenso wie Don Joe und Evren. Er wirbelte wieder auf seinem Hocker herum. »Da irrst du dich aber, Mervin. Das Haus mit dem Wunschbrunnen gehört Earl Midge. Dem seine Frau hat den Brunnen bauen lassen.«
    »Das mag ja sein, aber das ist ein anderes Haus. Wohnt Earl Midge nicht ganz unten an der Sweetwater Road?«
    »Nein, tut er nich!«, sagte Billy.
    »Ach, jetzt hört ihr aber auf!« Louise Snell holte das Telefonbuch von Hebrides und Umgebung hervor. Sie blätterte es durch, fuhr mit dem Finger eine Spalte entlang und sagte: »Sechs Mal Rice gibt es, die meisten in Hebrides, aber zwei in Junction. Eine wohnt in Red Coon Rock und heißt ›P. Rice.‹ Mervin hat also recht.«
    Ich lächelte verstohlen. »Wieder mal«, wollte ich schon sagen.
    »Das is aber ein altes Telefonbuch.« Billy steckte sich wieder eine Zigarette an.
    Louise Snell verdrehte die Augen. »Ist doch lächerlich. Wann ändert sich in Cold Flat Junction denn schon was? Wie viele Leute ziehen hier denn mal um? Als die Dinosaurier hier umherstreiften, gab’s schon eine P. Rice« – sie hielt Billy das aufgeschlagene Telefonbuch direkt unter die Nase – »die in der Red Coon Road wohnte.« Dann klappte sie es zu.
    Billy schmauchte schweigend und überlegte, was er darauf erwidern konnte.
    Evren sagte: »He, Dinosaurier haben wir immer noch. Habt ihr letztens die Wicker-Schwestern gesehen? Die bringen zusammen bestimmt sechshundert Pfund auf die Waage!«
    Da sich daraufhin alle, sogar Mervin, ein Lachen abquetschen konnten, beschloss ich abzuziehen, bevor die Wicker-Schwestern auf der Bildfläche erschienen.

18. KAPITEL
    Die Dubois Road, wo die Queens wohnten, endete am Flyback Hollow oder »Holler«, wie sie es im Windy Run Diner nannten. Dort wohnte Jude Stemple. Von dem stammte der Kommentar, von wegen Fern Queen habe keine Kinder gehabt. Wenn er recht hatte, dann hatte das Mädchen gar nicht Ferns Tochter sein können. Die Leute im Windy Run Diner deuteten in Bezug auf Fern aber etwas anderes an.
    Als ich das letzte Mal hier gewesen war, hatte ein Mädchen hinter einem Marktstand gesessen und Kool-Aid verkauft, obwohl auf ihrem Schild stand » LIMONADE – 5 Cent«. Sie war zwar nicht da, aber Tisch, Stuhl und Schild schon, dazu eine Karaffe mit grüngefärbter Kool-Aid. In einem Schächtelchen, das früher Küchenstreichhölzer enthalten hatte, bewahrte sie ihr Geld auf. Es war leer.
    Ich vermutete, dass es sich bei der Kool-Aid um Limette handelte, nicht gerade mein Lieblingsgeschmack und ganz bestimmt nicht bei Kool-Aid, die ich in keiner Geschmacksrichtung besonders mochte. Ich fand es nicht so ehrlich von ihr, Kool-Aid als Limonade zu verkaufen, aber sie hatte ja gesagt, es sei ein Limonadenstand, und nicht, dass sie Limonade verkaufte. Musste sie auch nicht.
    Ich nahm einen von den aufgetürmten Plastikbechern, schenkte zwei Fingerbreit Kool-Aid ein und warf eine Münze in die Streichholzschachtel. Dann schüttete ich das Getränk weg und zerdrückte den Becherrand ein wenig, damit es aussah, als hätte sich ein Kunde tatsächlich ein Getränk genehmigt. Das war mir wichtig: Immerhin bemühte sie sich, und das hier war wirklich ein schlechter Platz für einen Limonadenstand. Wie viele Leute hatte ich denn hier schon herumspazieren sehen?
    Bei dem schiefen Plastikbecher, den ich wieder auf den Tisch gestellt hatte, kam mir der zerbeulte Blechbecher in der steinernen Nische am Spirit Lake in

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