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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Und ist sie manchmal einsam?«
    »O nein.« Sie betrinkt sich, wollte ich sagen. »Nein, sie vertreibt sich die Zeit mir allem Möglichen, legt Solitaire-Karten und so weiter.«
    Prunella strich sich ihr Kleid glatt, verschränkte die Hände und sah, wie ich schon sagte, selbstzufrieden aus, als dächte sie, sie hätte den harten Teil, diesen Telefonanruf, überstanden.
    Nein, hatte sie nicht.
    »Dann hat sie – Gloria Spiker, mein ich – also ein paar Minuten mit Ihnen gesprochen …«
    »Zwanzig Minuten. Wir haben bloß über so Mädchenkram geredet.« Sie grinste albern.
    »Dann ging sie wieder rein, sah, dass das Baby verschwunden war und der Vater außer sich vor Aufregung.« Ich kaute innen auf meiner Lippe herum, als würde ich schwer nachdenken. Tat ich nicht, ich wusste schon, was ich sagen würde: »Gloria hat also Sie angerufen und nicht umgekehrt?«
    Ihre Augen weiteten sich ein bisschen. Der Blick, wenn einem was dämmerte. »Ja, natürlich, wieso?«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich konnte sie ja schlecht anrufen, oder? Sie war in dem Hotel und musste zum Telefonieren raus auf den Gang.«
    Ich legte den Kopf schief. »Wussten Sie, dass sie anrufen würde?«
    Sie wurde noch angespannter als zuvor, und es dauerte eine Weile, bis sie antwortete.
    In einer Ecke an der Zimmerdecke war eine Spinnwebe. Das ärgerte sie bestimmt. Sie verbrachte sicher den geschlagenen Tag damit, dieses Haus in Schuss zu halten.
    »Ähm, was meinst du damit?«
    War es so schwer, den Satz »Wussten Sie, dass sie anru fen würde« zu verstehen? »Ach, ich habe bloß überlegt, was mit dem Film war, den Sie sich anschauen wollten.« Das war kompletter Unsinn: Ich wollte bloß meine Frage sacht umschleichen, damit sie ein bisschen nachgab. Ich versuchte es mit einer Überleitung. »Damit meine ich, Sie mochten beide Veronica Lake und freuten sich auf diesen Film.«
    »Ach, jetzt wo du’s sagst, ja, ich glaube, wir hatten gesagt, wir würden telefonieren.« Ihr Nicken wirkte unsicher. Sie wusste immer noch nicht so recht, worauf ich mit meiner Frage hinauswollte.
    Ich rutschte in meinem Sessel nach unten und hoffte, dass mein Blick in die Ferne nicht verträumt wirkte. »Es war alles so merkwürdig, nicht wahr? Man hätte doch gedacht, es wird ein hohes Lösegeld gefordert, aber nein.«
    »Anscheinend nich.«
    »Haben Sie dann nie wieder was über das Baby gehört?«
    »Nein, gar nich.« Knappes Kopfschütteln.
    »Die Slades wohnten in New York. Da sind sie dann hin.« Als ob New York City der passende Ort zum Verschwinden wäre. Ich kam zu dem Schluss, dass ich aus Prunella Rice nichts mehr herausbekommen würde, und sagte: »Wirklich nett von Ihnen, mir Ihre Zeit zu schenken, Miss Rice.«
    »Prunella.« Sie lächelte fast. »Mit zwei L.«
    Es war doch immer wieder dieselbe Leier: Buchstabier bloß meinen Namen richtig, egal, was du sonst machst oder über mich schreibst.
    Ich lächelte. »Ich werd mir’s merken.«
    Sie brachte mich zur Tür wie ein Unheil, das sie abwenden wollte.
    Es war kurz nach drei Uhr nachmittags, und ich wollte den Zug zurück um 15:32 nehmen, was leicht zu schaffen wäre.
    Ich schlurfte die Straße zurück, kam wieder am Haus der Calhouns vorbei. Der Pick-up stand immer noch da, aber keine Spur von Cary Grant Calhoun.
    Als ich zum Flyback Hollow und zur Dubois Road kam, sah ich, dass der Limonadenstand immer noch aufgebaut war, bloß dass in der Karaffe statt Limonade jetzt etwas Orangenes war. Und das Geld war weg. Vielleicht war das jetzt ihre neue Art der Geschäftsführung, auf Treu und Glauben, und die Leute sollten sich selbst bedienen. Es ersparte einem das gelangweilte Herumsitzen.
    Auf dem Weg zum Bahnhof dachte ich über den Telefonanruf nach und versuchte zu ergründen, was mich gestört hatte, als Prunella Rice sagte, sie hätten darüber geredet, ins alte Limerick-Kino zu gehen. Ich dachte an Veronica Lake und Ree-Jane und an die Frisur der beiden: das lange, wellige Haar, das über ein Auge hing. Am Bahnhof angekommen, stand ich auf dem Bahnsteig und versuchte zu enträtseln, was Prunella gesagt hatte, dachte über Baby Fay nach und kam auf keinen grünen Zweig.
    Ich bezahlte, wieder bei einem anderen Schaffner, und war froh, dass es nicht der erste war, der womöglich Fragen stellte über die lange Geschichte, die ich ihm über Grandma Simple verzapft hatte.
    Die Bücherei, wo ich jetzt hinfuhr, hatte vielleicht ein paar alte Photoplay -Ausgaben, und ich konnte den Artikel heraussuchen,

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