Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)
den Gloria damals gelesen hatte …
Ruckartig richtete ich mich auf. Das war’s! Das war es, was mich gestört hatte. Als sie das Baby hütete, hatte Gloria ein Photoplay -Heft gelesen, und sie hatte gesagt: »Ich saß da und las. Da stand ein Artikel drin über Veronica Lake.« Das waren fast genau ihre Worte. Dann hatte sie gesagt, sie und Prunella wollten in » das alte Limerick-Kino, das früher in Hebrides war« gehen.
Das hatte auch Prunella gesagt. Dasselbe. Haargenau dasselbe. Sie hatte nicht einfach »das Limerick-Kino« gesagt, sondern » das alte Limerick-Kino, das früher in Hebrides war«. Zwanzig Jahre waren vergangen, und sie sagten beide haargenau dasselbe.
Mir war klar, was Perry Mason daraus schließen würde.
Der Telefonanruf war inszeniert worden. Inszeniert war auch, dass Gloria aus dem Zimmer gehen würde. Sie war vermutlich dafür bezahlt worden. Prunella war bezahlt worden, damit sie Glorias Geschichte bestätigte. Wie beide gesagt hatten, gab es außer auf dem Gang draußen keine anderen Telefone. » Musste.« Ich hatte es bloß für eine Ausrede gehalten: »Musste.« Aber was war, wenn …?
Der Schaffner sammelte die Fahrkarten ein. Geistesabwesend reichte ich ihm meine.
»Du runzelst ja gewaltig die Stirn, Fräuleinchen.« Er lochte meine Fahrkarte und gab sie mir zurück. »Die Fahrt gefällt dir wohl nicht besonders.« Er stand lächelnd da und wankte, so wie vorhin der andere Schaffner.
Der würde bestimmt die ganze Rückfahrt über so vor mir stehen bleiben, dachte ich mir, wenn ich mein Stirnrunzeln nicht erklärte. »Mein Hund ist gestorben.«
»Ach, das tut mir aber wirklich leid.« Er machte sich davon.
Der Tod konnte Leute manchmal ganz schön vertreiben.
19. KAPITEL
»Ich will den Sheriff sprechen.«
Donny Mooma redete gerade mit Maureen Kneff, der Sekretärin, die, wie ich mich erinnerte, eine geborene Stuck war. Hier in der Gegend gab es genauso viele Stucks wie Moomas und Calhouns.
Er musterte mich über die Schulter. »Dann stell dich hinten an, Mädchen. Siehst du die Leute da draußen sitzen? Es dreht sich nich immer nur alles um dich.«
Donny kannte mehr blöde Sprüche als sonst wer. »Wo ist er?« Ich bemühte mich, nicht allzu fordernd zu klingen.
Donny machte den Mund auf, um was zu sagen, aber Maureen Kneff kam ihm zuvor.
»Er is nach Cold Flat Junction rüber, Schätzchen.«
Donny hob den Kopf und sah suchend an die Decke, als käme ihm von dort her Gottes Führung. »Was musst du der das jetzt sagen, Maureen? In Polizei angelegenheiten unterwegs is er. Man verrät doch nich das Warum und Wieso von dem, was der Sheriff dienstlich so tut!«
Maureen winkte bloß ab. »Da gibt’s kein ›Warum‹ und ›Wieso‹. Meine Güte, er is einfach rüber nach Cold Flat Junction.«
Ich mochte Maureen. Hatte sie schon immer gemocht. Sie versuchte nicht, ihren Job aufzublasen so wie Donny seinen, als wäre es der wichtigste weit und breit. Außer natürlich dem vom Sheriff.
Ich fragte sie: »Maureen, sind Sie mit Reuben Stuck verwandt?«
Donny verdrehte die Augen. »Entschuldigung, dass ich auch noch auf der Welt bin.«
»Ja, das is mein Cousin. Kennst du Reuben?«
Donny warf die Arme hoch. »Äh, Verzeihung, aber ich will hier Polizei arbeit machen.«
Reuben Stuck war da gewesen, um einen Haufen Fragen zur Entführung des Slade-Babys zu beantworten, da es seine Leiter war, die am Belle Ruin unter dem Fenster der Slades gelehnt hatte. Reuben war Maler von Beruf und einer von mehreren Leuten, die das Hotel zum Anstreichen angeheuert hatte.
»Ja«, sagte ich. »Ich habe ihn zu dem interviewt, was im Belle Ruin passiert ist.«
Maureen nickte bedächtig. »Die alte, traurige Geschichte.« Sie schloss ergeben die Augen.
»Lasst euch durch mich nich stören, Mädels, haltet ruhig weiter euer Schwätzchen.« Donny fläzte sich hinter seinen Schreibtisch und stellte die Stiefel drauf. »Wetten, Sam würde gern wissen, wie viel hier eigentlich gearbeitet wird?«
»Wann kommt er denn zurück?«
Donny sagte: »Mich darfst du nich fragen, frag mal unsre Freundin hier.« Er stieß den Daumen in Richtung Maureen. Dann stand er auf und hakte die Daumen in die Laschen seines breiten braunen Gürtels. »Also, ich geh dann mal gegenüber auf einen Kaffee.«
Maureens Stimme überschlug sich förmlich vor Begeisterung. »Bring mir einen Donut mit Vanilleguss und einen mit bunten Streuseln.« Sie zwinkerte mir zu. »Und für Emma, die möchte vermutlich auch
Weitere Kostenlose Bücher