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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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genau darauf, dass ihre Geschichten bezüglich des Anrufs übereinstimmten. Wahrscheinlich hatten sie es eingeübt, was sie der Polizei sagen würden, falls sie gefragt wurden. Der damalige Sheriff Mooma (Donnys Onkel) war vermutlich von Imogen Woodruffs reichem Vater bestochen worden. Dafür bezahlt worden, dass er keine Ermittlungen anstellte. Weil es gar keine Entführung gegeben hatte.
    Ich musste mir natürlich immer wieder in Erinnerung rufen, dass es bloß eine Theorie war – nämlich dass das Baby überhaupt nicht im Belle Ruin gewesen war. Was war aber dann mit der Kleinen geschehen? Was hatten ihre Eltern verheimlichen wollen? War sie verloren gegangen? Hatten sie sie ausgesetzt?
    Und war sie jetzt zurückgekehrt? War sie das Mädchen?
    Meine Füße lenkten mich mit Macht in Richtung Redaktionsbüro. Wahrscheinlich waren sie der Ansicht, Mr Gumbrel wäre ein guter Gesprächspartner, da er investigativ dachte. Ich polterte die alte Holztreppe hoch, und zum ersten Mal fiel mir die ausgetretene Fläche in der Mitte jeder Stufe auf, wo es eine Vertiefung gab und das Eichenholz fast weiß war. Man muss sich mal vorstellen, wie viele Füße es brauchte, bis das Holz so abgenutzt war.
    »Emma! Hast du die Fortsetzung für nächste Woche fertig?«
    Auch nicht mehr als beim letzten Mal, als er danach gefragt hatte. »Noch nicht ganz. Ich wollte Ihnen aber was sagen über die mutmaßliche « – das betonte ich extra – »Entführung.« Daraufhin berichtete ich von meinem Gespräch mit Prunella Rice und welche Schlussfolgerung ich daraus gezogen hatte.
    Mr Gumbrel hatte sich in seinem Drehstuhl zurückgelehnt, die Brille auf die Stirn hochgeschoben und drehte über seinem runden Bauch Däumchen. »Meine Güte!«, sagte er. »Da laust mich ja der Affe – du glaubst also, diese beiden, die junge Spiker und diese Prunella, die steckten da auch mit unter der Decke?«
    »Nicht als Hauptakteurinnen, das bestimmt nicht. Das war bestimmt die Familie. Falls Mr Woodruff Polizisten bestochen hat, zum Beispiel Sheriff Mooma …«
    »Das wäre in dem Fall damals Carl Mooma gewesen.« Er runzelte die Stirn und schüttelte bedächtig den Kopf. »Carl war ein anständiger Kerl, soweit ich mich erinnere …«
    Das tat sonst niemand. »Und die Slades mussten ja in alles eingeweiht gewesen sein, wenn das Baby gar nicht dort war.«
    »Willst du damit behaupten, Morris und Imogen fuhren einen leeren Kinderwagen in der Stadt spazieren?«
    »Ja. Fragen Sie mich nicht, wieso. Wohlgemerkt, die Kinderpflegerin war nicht mit im Hotel. Es könnte doch sein, dass das Baby die ganze Zeit bei der Pflegerin war. Sie könnten ihr erzählt haben, sie führen übers Wochenende weg, und die Pflegerin wusste gar nicht, was gespielt wurde.«
    »Sie hätte es aber doch bald erfahren.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn Mr Woodruff die Reporter bestochen hat.«
    Er schmunzelte. »Einfacher, Polizisten zu bestechen als Reporter, zumindest hier in der Gegend. Bei meinem Dad wäre ihm das nicht gelungen, das kann ich dir sagen.« Er kratzte sich am Kinn. Die Bartstoppeln hörten sich an, als täten sie weh.
    Ich fuhr fort: »Selbst wenn er die Reporter nicht bestochen hätte, wie weit wäre die Geschichte denn verbreitet worden?«
    »Die Agenturen hätten sie aufgreifen können. Bloß – wieso sollte Lucien Woodruff Ermittlungen zur Entführung seines eigenen Enkelkinds unterbinden wollen?«
    Allmählich platzte mir aber der Kragen. »Das sag ich doch andauernd. Weil die Kleine gar nie entführt wurde . Wohl deshalb, weil die Eltern irgendwelchen Dreck am Stecken hatten und er nicht wollte, dass der Familienname entehrt wird oder seine Tochter womöglich ins Gefängnis muss.«
    Mr Gumbrel seufzte. »Schon möglich, Emma. Möglich ist es. Bloß … für Zeitungszwecke, also für deine Geschichte, da kannst du in Druckform nicht über die Slades und Lucien Woodruff spekulieren. Sonst kriegen wir am Ende noch eine Klage an den Hals.«
    »Ich kann aber trotzdem überlegen, was an dem Abend wohl passiert ist.«
    »Da musst du allerdings sehr behutsam vorgehen. Sobald du andeutest, dass es gar keine Entführung gegeben hat, zeigst du mit dem Finger auf die Familie.«
    »Aber – trotzdem, es hätte doch auch etwas anderes passiert sein können , so dass die Slades glaubten, das Baby wäre entführt worden.« Obwohl mir beim besten Willen nichts einfiel.
    Ich wünschte, der Sheriff käme zurück.
    Ich warf einen Blick auf die große Wanduhr ganz hinten

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