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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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und stellte fest, dass es fünf war. Ich sprang von meinem Stuhl auf. »Ich muss zurück ins Hotel, Abendessen servieren. Danke, Mr Gumbrel.«
    Seine Stimme folgte mir, während ich geradezu die Treppe hinunterflog. »Du denkst aber dran, dass du mir deine nächste Folge bringst, hörst du?«
    Ich hörte.

20. KAPITEL
    Es war halb sechs, als ich den Wagenschlag hinter Delberts Stimme zuschmiss und die Verandatreppe hochrannte. Das Taxi fuhr davon, während Delbert wahrscheinlich weiter seine Selbstgespräche führte.
    Ree-Jane fläzte in einem der grünen Schaukelstühle, die Füße auf dem runden grünen Tisch. Sie blätterte in einer Modezeitschrift und stellte sich wahrscheinlich vor, dass künftig ihr Foto darin prangen würde. Ich warf über ihre Schulter einen kurzen Blick auf die Fotomodelle.
    »Du bist wirklich spät dran«, sagte sie, »und Miss Jen hat schon einen Anfall gekriegt.« Diese Neuigkeit gab sie zum Besten, ohne dabei von der Seite voller anmutiger Sommerkleider aufzublicken.
    Ich hätte zu gern einen Augenblick innegehalten, denn es machte mir Spaß zuzuhören, wenn Ree-Jane über ihre glorreiche Zukunft sprach. Mehrere Varianten gab es diesbezüglich. Ree-Jane schwankte von der Heirat mit dem Herzog von Devonshire oder einem anderen Blaublütigen zum Leben als Filmstar, in dem sie dann einen anderen Filmstar heiratete, dessen Karriere ihrer aber nicht das Wasser reichen konnte. Dann war sie wieder eine berühmte Kriegsfotografin, dann ein Tennischampion, als der sie Lorbeeren auf dem Center Court in Wimbledon erntete.
    Ich hatte ihr geraten, doch erst mal mit dem Turnier in unserem Heimatstaat anzufangen. Viele Tennisspieler wohnten hier im Hotel. Während des Turniers hatte keiner viel zu tun außer Mrs Davidow, die dann ihre berühmte Mint-Julep-Bowle ansetzte. Da stand man dann herum, um durch Strohhalme Kentucky Bourbon mit Minzgeschmack zu schlürfen. Zu Aurora sagte ich, wenn ich einen Schlauch hätte, könnte ich den vielleicht in den dritten Stock hinaufleiten.
    In der Küche war meine Mutter gerade dabei, winzige Mengen von Gewürz in eine rosa getönte Soße abzumessen (ihre Shrimps à la Newburg möglicherweise), wobei sie wie ein Wissenschaftler im Labor ein kleines Löffelchen hochhielt, es dann leicht antippte und beobachtete, wie die Pulverstäubchen von was auch immer auf ihre Soße niedersanken. Wäre Dr. Jekyll mit seinem Zaubertrank derart behutsam vorgegangen, hätte er sich vielleicht nicht in Mr Hyde verwandelt.
    Walter rief Hallo. Meine Mutter betrachtete eingehend ihre Soße.
    Ich klatschte Salatblätter in Schälchen, sechs an der Zahl, demnach kamen also vier Essensgäste, zusätzlich zu Miss Bertha und Mrs Fulbright. Ich gab Zwiebelringe und grüne Paprikaringe dazu.
    Währenddessen überlegte ich, wie das eigentlich mit Emily Dickinson war und ob die je Hausarbeit machte. Wenn sie die ganze Zeit zu Hause war (wie Mr Root behauptet hatte), dann bestimmt. Er hatte auch gesagt, dass sie hinter einem Wandschirm hervor mit den Leuten sprach. Das wäre doch was richtig Nettes. Wenn ich einen federleichten tragbaren Wandschirm auftreiben könnte, dann könnte ich den jedes Mal aufstellen, wenn ich keine Lust hatte, die Person anzuschauen, mit der ich sprechen musste. Ich könnte Miss Bertha ihren Salat hinstellen, meinen Wandschirm aufklappen und sie fragen, ob sie sonst noch was wolle.
    Dass meine Mutter direkt neben mir stand, merkte ich erst, als sie mich fragte, wieso ich so herumtrödelte. Tat ich das?
    »Die Salate sehen aber nicht besonders interessant aus. Kannst du denen nicht ein bisschen mehr Persönlichkeit verpassen?«
    (Kein Wunder, dass mein Bruder so eine dramatische Ader hatte.)
    »Ein bisschen Paprikapulver wär nicht schlecht«, sagte sie. »Kleingehackte schwarze oder grüne Oliven oder Piment.«
    Ich ging zum Kräuter- und Gewürzregal hinüber und holte Paprikapulver und seinen Busenfreund, den alten, zuverlässi gen Cayennepfeffer, heraus. Dann streute ich Paprikapulver über fünf Salate und Cayenne über einen, den ich beiläufig beiseitestellte. Ich überlegte: schwarze Oliven. Grüne Oliven. Was sieht aus wie eine schlichte, kleingehackte grüne Olive? Mein Hirn flackerte, sandte winzige grelle Bildchen mit Peperoni aus.
    Ich sauste an den Kühlschrank und holte ein Glas Peperoni heraus, das meine Mutter mal für ein höllisch scharfes spanisches Gericht verwendet hatte. Ich hackte grüne Oliven klein und streute sie über die fünf Salate. Dann

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