Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)
meinen drei Freunden und machte mich auf, die zwei Meilen in die Stadt zu laufen.
Ich war ziemlich fertig und hatte das Gefühl, dass eine Menge auf meinen Schultern lastete. Aber was? Auf meinen Schultern lastete überhaupt nichts außer meinem Kopf und dem, was drin war, und drin war Morris Slade.
39. KAPITEL
Auf dem Rückweg in die Stadt kam ich an Arturos Restaurant mit dem kaputten Neonschild vorbei. Tagsüber machte es nichts aus, dass die Buchstaben defekt waren, denn dann blinkten die Lichter nicht. ART – EAT – ART – EAT … mir gefiel diese Botschaft, und ich hoffte, Arturo würde es nie reparieren.
Nach einer weiteren Viertelstunde war ich beim Gerichtsgebäude und stapfte mühselig die Treppe hoch. Es war schon nach zwölf, und vielleicht war der Sheriff ja im Rainbow, aber irgendwie hatte ich in Erinnerung, dass er gesagt hatte, er würde nie zu Mittag essen. Er mochte es nicht. Ich fragte mich, wie jemand dazu kam, eine Mahlzeit nicht zu mögen.
Ich linste durch die Milchglastür, konnte aber die Gestalten drinnen nicht erkennen. Falls der Sheriff nicht da war, machte das auch nichts aus, denn ausnahmsweise war ich wegen Donny hergekommen.
Ich wollte mich erkundigen, wo sein Onkel wohnte. Das hatte der Sheriff nicht gesagt, und ich hatte auch nicht gefragt. Wenn ich ihn gefragt hätte, hätte er sich schon denken können, weshalb ich es wissen wollte, und es mir verboten.
Im Telefonbuch waren eine Menge Moomas gelistet, aber kein einziger Carl. Zwei mit C gab es. Ich rief beide Nummern an und tat so, als wollte ich Zeitschriftenabonnements verkaufen. Der eine sagte, er heiße Charles, und quatschte mir fast ein Ohr ab, und der andere legte auf. Von der Auskunft konnte ich es nicht erfahren, weil die keinen Eintrag für einen Carl Mooma finden konnte.
Und Donny würde es mir natürlich schon allein aus Prinzip nicht verraten.
Ich überlegte kurz, dann ging ich hinein. »Hallo.«
Maureen erwiderte meinen Gruß, Donny verzog bloß missbilligend den Mund. »Sam is nich da.«
Ich gähnte und meinte, na, dann ginge ich auf einen Donut ins Rainbow und ob sie auch welche wollten?
»Du zahlst?« Donny kicherte, als wäre das ausgeschlossen.
»Klar, wieso nicht?«, erwiderte ich achselzuckend.
Maureen sagte: »Das ist nett von dir, musst du aber nicht …« Sie fing an, in ihrer Handtasche zu kramen.
Donny sagte: »Warum nich? Die is uns doch noch was schuldig, Maureen.«
»Bin gleich wieder da.« Ich verdünnisierte mich.
»Mit bunten Streuseln«, rief mir Donny noch hinterher, als ich schon fast an der Treppe war.
Es war Mittagessenszeit, und im Rainbow brummte der Laden. Am Tresen waren alle Sitzplätze besetzt, auch die Tischnischen hinten waren voll, bis auf die, die für die Bedienung zur Kaffeepause »reserviert« war.
Das war mir aber egal, denn ich wollte mich nicht hinsetzen. Wanda Waylans stand hinter der Kuchenvitrine, freundlich wie immer.
»Ach, hallo, Emma. Soll’s ein Donut sein? Wir haben heute auch gute Zimtschnecken da.«
Ich dankte ihr für die Anregung, bestellte aber Donuts: zwei mit Schokostreuseln, zwei mit Schokoguss, einen mit Erdbeerglasur und bunten Streuseln. Es machte wirklich was her. Froh, dass ich genug Geld bei mir hatte, bezahlte ich bei Shirl, die den Dollar misstrauisch beäugte, irgendwas brummte und mir Wechselgeld herausgab. Dann fiel mir Kaffee ein, und ich bat Wanda um zwei Tassen zum Mitnehmen, mit Zucker und Sahne extra. Wanda stellte die Tassen in ein Vierertraggestell, das aussah wie ein Eierkarton, und ich bezahlte bei Shirl den Kaffee.
Mit dem Kaffee und dem Papptablett mit den Donuts hatte ich ziemlich viel zu lavieren. So schnell ich konnte, ohne etwas zu verschütten, lief ich zurück ins Gerichtsgebäude.
Donny ging auf und ab und diktierte. Maureen tippte, beziehungsweise würde tippen, wenn Donny endlich zu Potte käme mit dem, was er sagen wollte.
»Sehr geehrter Herr äh … nein, ›Stadtrat‹ … Da sagt man aber doch nicht ›Euer Ehren‹, oder?«
Kopfschüttelnd, die Arme verschränkt, trommelte Maureen genervt mit den Fingern. »Warum sagst du nicht einfach ›Mister‹, okay?«
Als hielte er eine Flagge und würde das Startzeichen beim Autorennen geben, senkte Donny die Hand. »Okay, okay …«
Als sie den Kaffee und die Donuts sahen, leuchteten ihre Augen auf, jedenfalls die von Maureen. Die von Donny traten bloß noch mehr aus den Höhlen hervor.
»Ah, danke dir, Schätzchen«, sagte Maureen. »Das ist aber
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