Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)
uns Sodas. Und dann hab ich was zu erzählen.«
Alle drei wirkten erleichtert, während wir in Brittens Laden trotteten, um die Süßigkeitentheke und die großen Plätzchendosen zu inspizieren. Ulub ging weiter zu den gekühlten Getränken. Dies alles machte Mr Britten höchst unglücklich. Oder noch unglücklicher, denn unglücklich sah er immer aus.
»Jetzt aber mal vorsichtig alle«, rief er, kaum dass wir zur Tür hereingekommen waren.
»Meine Güte, Mann«, sagte Mr Root. »Wir wollen uns doch bloß was Kaltes zum Trinken holen.«
Mr Britten brummte irgendeine Erwiderung. Oder Verwünschung. Wir hatten wohl etwas an uns, wodurch wir Mr Britten an John Dillinger, Al Capone und Pretty Boy Floyd erinnerten, alle in einem, und sein Club war der einzige in Chicago, der noch in Betrieb war. Ich wünschte, es wäre so. Ich konnte mir nichts Besseres vorstellen, als einen schummrigen, verrauchten Chicagoer Club unsicher zu machen.
Ulub rief die Drinks aus, die zur Auswahl standen: »E-hi aube, E-hi Onge, Co-cola, E-hi ootbeh.«
Ich überlegte, wieso er sich eigentlich die Mühe machte, vor jeder Geschmacksrichtung »Nehi« zu wiederholen, statt sie einfach alle auf einmal aufzusagen. Wollen Leute mit einer speziellen Behinderung einen eigentlich dauernd darauf aufmerksam machen, wenn auch unabsichtlich? Ubub und Mr Root wollten Nehi Traube, ich bat um eine Cola.
Mr Britten stand da und beobachtete uns scharf, die Hände unter der Schürze verschränkt, so dass es aussah, als würde er jeden Moment eine Knarre rausziehen. Ich wollte bezahlen, aber Mr Root und Ubub lehnten ab, nein, sie wollten mich einladen. Weil wir direkt vor Mr Britten standen, bestand ich erneut aufs Bezahlen, bloß damit der kapierte, wie gute Manieren und Rücksichtnahme aussahen. Er nahm jedoch bloß Mr Roots Geld in Empfang und verzog das Gesicht.
Dann erstand ich zwei Packungen SnoBalls, mit jeweils zwei Stück pro Packung, wir gingen und nahmen die Bank wieder in Beschlag.
Jeder von uns bekam einen SnoBall und ein Getränk. Ich erzählte ihnen von meinem Plan (der überhaupt kein Plan war) und erwähnte Großtante Auroras Vorschlag, einen Privatdetektiv anzuheuern, wohl wissend, dass sie diese Notwendigkeit verächtlich abtun würden, insbesondere Mr Root.
»Was musst du einen Privatdetektiv bezahlen? Das können doch wir machen.«
Ulub und Ubub schienen Bedenken zu haben, aber nachdem sie einander mit einem Blick konsultiert hatten, nickten sie zustimmend. Das fand ich so bewundernswert an ihnen – an allen dreien: Sie wollten einfach so in das Projekt einsteigen, bloß weil wir befreundet waren. Das Beste wäre jetzt gewesen, wenn wir alle noch die Hände ausgestreckt und die Musketiergeste gemacht hätten: alle für einen.
»Also«, sagte Mr Root, »ihr beiden habt eure Pick-ups und ich meinen alten Ford, wenn du was in der Richtung vorhast, Emma.«
Ich hatte in überhaupt keiner Richtung was vor, sondern hoffte bloß, wir könnten einen Privatdetektiv auftreiben. Weil ich nicht wusste, wonach Morris Slade suchte, wusste ich auch nicht, wie er danach suchen würde.
Zu Mr Root sagte ich: »Schauen wir mal«, und überlegte, während ich meinen SnoBall mampfte. Ich mochte diese Kuchen unheimlich gern, weil innen drin richtig viel Schokolade war und außen Marshmallow-Weiß mit Kokos. Und weil sie schön matschig waren.
Die Idee, Morris Slade zu verfolgen, spukte mir weiter im Kopf herum, und ich überlegte, ob ich nach La Porte zum Sheriff fahren sollte, um zu erfahren, ob er irgendwas wusste, was Morris Slades plötzliches Auftauchen erklärte. Viel versprach ich mir allerdings nicht davon.
In dem Moment sah ich auf dem Highway ein Taxi heranfahren. Als es näher kam, stellte sich heraus, dass es der kastanienbraune Chevy war, den Axel immer chauffierte. Ich beschirmte mir die Augen und spähte unter der Hand hervor. Bis auf den Fahrer war das Taxi leer, und es war tatsächlich Axel. Axel! Ich rannte die Böschung hinunter auf den Highway zu, dabei gestikulierte ich wild mit dem, wie ich fand, eindeutigen Signal: »Halt!«
Axel drückte auf die Hupe. Ich sprang aufgeregt herum. Axel hupte wieder und fuhr winkend an mir vorbei. Er hatte wohl gedacht, ich wollte bloß freundlich winke, winke machen.
Ich stand da und konnte es einfach nicht fassen. So nah dran an einer Fahrt in Axels Taxi war ich noch nie gewesen, und so eine Gelegenheit würde es bestimmt auch nie wieder geben, das war mir klar.
Ich verabschiedete mich von
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