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Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Das verschwundene Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Stellvertretern ernannt und ihnen die Schlüssel zum Gerichtsgebäude ausgehändigt.
    Dann war er bei unserer Tischnische. »Emma«, sagte er, ohne Lächeln im Gesicht und in der Stimme und rutschte in die Nische. »Was hattest du bei Carl Mooma zu suchen?«
    Mein Mund, schon zur Begrüßung geöffnet, sagte stattdessen: »Woher wissen Sie denn das?«
    »Carl hat Donny erzählt, er hätte Besuch von einer jungen Reporterin gehabt. Du hast Donny breitgeschlagen, dir die Adresse von seinem Onkel zu verraten.«
    »Meine Güte, wo der wohnt, ist doch kein Geheimnis.«
    »Nein, aber mir gefällt das nicht so recht, dass du allein losziehst und dich mit fremden Männern unterhältst.«
    Ich warf die Arme in einer hoffentlich dramatisch wirkenden, fassungslosen Geste hoch. »Sheriff Mooma war im Belle Ruin – in der Nacht, als das Baby verschwunden ist.«
    »Das weiß ich.«
    »Außerdem schreibe ich eine Geschichte für die Zeitung, wie Sie sich vielleicht erinnern!«
    »Du kannst deine Informationen doch auch kriegen, ohne dass du hingehst und mit fremden Männern redest. Du hast in Cold Flat Junction schon an mehr Türen geklopft als ein Staubsaugerverkäufer.«
    »Ach, wirklich? Dann halten Sie Gloria Spiker wohl auch für gefährlich.«
    Nicht nötig, Jude Stemple, Reuben Stuck und Morris Slade zur Sprache zu bringen. »Und von Reporterarbeit haben Sie keine blasse Ahnung. Mr Mooma war Augenzeuge! Augenzeuge, bedeutet das für Sie denn gar nichts? Mit anderen Worten, was er sagt, wäre nämlich dann kein Hörensagen, so wie bei mir mit Isabel Devereau.«
    Wie von Zauberhand tauchte Maud auf und stellte dem Sheriff eine Tasse Kaffee und mir eine Cola hin. »Von was habt ihr es denn?« Dies war an den Sheriff gerichtet. Sie nahm eine Zigarette aus ihrem Camel-Päckchen.
    »Er sagt, ich soll nicht ›mit fremden Männern reden‹.« Ich sah es jetzt als Film vor mir. Und ich war darin der Star.
    »Gibt’s da irgendwo fremde Männer? Ich selber hätte nichts dagegen, mit denen zu reden.« Ein tiefer Blick zum Sheriff hinüber, der sie daraufhin grimmig musterte.
    »Machst du dir keine Sorgen, dass Emma auf eigene Faust loszieht, noch dazu in wildfremde Häuser, und von einem Verbrechen rumquasselt?«
    »Von wegen ›rumquasseln‹. Ich kann es ganz gut kaschieren, wieso ich da bin.«
    »›Kaschieren‹, na, das glaub ich. Hör endlich auf mit Theaterspielen, Emma. Du glaubst, so ist das Leben – ein Theaterstück oder ein Film.«
    Nachdem ich »Mit fremden Männern reden« soeben zu einem gemacht hatte, war ich etwas verlegen. »Nein, das ist Will. Der meint, das Leben ist …«
    Der Sheriff schüttelte den Kopf und schnorrte sich bei Maud eine Zigarette. »Dein Bruder bringt Stücke auf die Bühne. Das hat Ziegfeld auch gemacht. Der glaubt aber nicht, er ist das Stück. Der kennt den Unterschied zwischen Fiktion und Realität.«
    »Was? Was?« Ich beugte mich so schwer über die Tischfläche, dass mein »Was? Was?« ganz atemlos klang. »Den Unterschied zwischen Fiktion und Realität? Will kennt nicht mal den Unterschied zwischen seinen eigenen zwei Füßen. Ich kenn den Unterschied, ich schon. Als Zeitungsreporterin muss ich die Dinge so betrachten, wie sie sind.« Das fand ich eine wirklich tolle Antwort.
    Der Sheriff nicht. Der schob sich auch gegen die Tischfläche. »Da draußen gibt es gefährliche Menschen, Emma …«
    »Wie etwa Ben Queen?« Hoffentlich triefte meine Stimme jetzt vor Sarkasmus.
    »Dass Ben nicht gefährlich war, wusstest du aber nicht.«
    Nun ja, ich musste zugeben, als er mir mit der Waffe in der Hand begegnete, ahnte ich wohl schon, dass Gefahr im Spiel war. Weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte, erfand ich einfach irgendwas, ohne zu wissen, was ich damit eigentlich sagen wollte. »Gefahr ist das, was man zur Gefahr hochspielt.«
    »Ach so, na dann kann ich meine Dienstmarke und meine Dienstwaffe ja abgeben.«
    Maud schüttelte verärgert den Kopf. »Ach, lasst es bleiben, ihr beiden! Andauernd streitet ihr euch.«
    Ich erschrak, denn früher hatten wir das nicht getan. Uns gestritten, meine ich. Plötzlich wurde ich traurig, denn er hatte ja recht. Mir war schon klar, dass ich nicht bei Fremden an die Tür klopfen sollte. Und Reporterarbeit war es auch nicht. Als ich damals anfing, das alte Haus der Devereaus zu untersuchen, hatte ich nicht für die Zeitung gearbeitet. Und was war passiert? Obwohl ich fand, dass er sich als Boss aufspielte und mich rumkommandieren wollte, machte er

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