Das Versprechen der Kurtisane
Karten.«
»Gütiger Gott.« Er versuchte gar nicht erst, nachzurechnen. »Ihr Gedächtnis sagt Ihnen also, wo sich jede Karte befindet, und Ihr Zahlenhirn verrät Ihnen, wie Sie sie stapeln müssen. Aber wie bringen Sie sie in diese Reihenfolge? Sie haben mir die ganze Zeit in die Augen gesehen.«
»Übung.« Sie lockerte die Hände. »Ich habe meinen Fingern beigebracht, wie sich sechs Karten anfühlen, oder neunzehn, oder achtunddreißig. Vermutlich hätten Sie sehen können, wie ich nach der richtigen Stelle getastet habe, wenn Sie zugesehen hätten. Aber als ich sagte, Sie sollten mich ablenken, habe ich darauf gesetzt, dass Sie ein Thema wählen würden, das Sie ebenfalls ablenkt.« Da war es wieder, dieses wissende, verführerische Lächeln. Dasselbe, das seinen Verstand zum Teufel gejagt und ihn über Strumpfbänder hatte sprechen lassen. »Normalerweise kommt es nicht so genau, wissen Sie. Oft brauche ich lediglich abwechselnd hohe Karten und niedrige Karten. Oder, an jenem Abend, auf den Sie angespielt haben, eine Serie von niedrigen Karten. Das ist viel einfacher, wie Sie sich vorstellen können.«
Hölle und Verdammnis! Sie beherrschte sechs verschiedene Arten der Hexerei und plauderte darüber wie über eine Handarbeit. Er riss den Blick von ihrem Gesicht los, um die Karten zu betrachten. »Aber Ihre ganze Arbeit muss doch zunichtegemacht werden, wenn Sie mischen.«
»Wenn man richtig mischt, kann man eine Reihe von Karten unberührt lassen. Man muss lediglich agile Daumen haben und viel üben.«
»Na gut, aber jemand anderes hebt doch ab. Ich bin mir ganz sicher, dass es der Gentleman zu ihrer Linken war, an jenem Abend. Sie konnten doch nicht beeinflussen, wo der Stapel geteilt werden würde.«
»Das ist das geringste Problem.« Sie lehnte sich vor, sammelte die achtunddreißig Karten ein und schob sie mit den übrigen vierzehn wieder zu einem Stoß zusammen. »Bitte heben Sie ab.« Die Karten landeten fein säuberlich vor ihm.
Er legte die Finger um gut die Hälfte der Karten und hob sie hoch.
»Halt.« Er hielt inne. »Sehen Sie, wo Sie den Stoß geteilt haben?« Er hätte alle Kerzen im Raum löschen können und im hellen Schein ihres Stolzes noch immer ausgezeichnet gesehen.
»Ungefähr in der Mitte. Etwas tiefer.«
»Etwa sechzig Prozent.« Sie nickte in Richtung seiner Hand. »Jeder hebt so ab. So einfach ist das. Man platziert die Karten, die man haben will, in den unteren vierzig Prozent, und der Spieler, der abhebt, legt sie einem ganz nach oben.«
Zum Teufel mit ihr. Tausendmal. Zum Teufel mit ihrem Wagemut, ihrem Strahlen und ihrer ausgekochten Fingerfertigkeit. Er fühlte sich aufgekratzt und unbeschwert wie ein Junge, der einem Zirkusjongleur zusah, dabei hatte er mehr als genug Gründe, sich nie wieder unbeschwert zu fühlen. »Moment!« Logisch denken konnte er trotzdem noch. »Sie mussten doch auch den Männern vor mir Karten geben. Und Sie konnten nicht wissen, wie viele sie kaufen würden. Sie müssen eine ganze Menge niedriger Karten zur Hand gehabt haben, um sicherzugehen, dass ich sie bekommen würde. Wie konnten Sie da verhindern, die anderen Herrschaften ebenfalls damit auszustatten?«
»Sie waren nicht alle niedrig.« Sie streckte die Hand aus.
Er gab ihr den Stapel. Seine Fingerspitzen kribbelten, als sie ihr zartes Handgelenk berührten.
»Ich habe zu diesem Zweck auch ein paar Bilderkarten eingestreut.« Sie klopfte den Stapel an der Tischkante glatt. »Aber ich habe dafür gesorgt, dass Sie keine bekommen. Wenn man geübte Daumen hat, kann man die oberste Karte weit genug hochziehen, um einen Blick darunter zu werfen. Und wenn sie einem nicht gefällt, kann man die zweite Karte, die jetzt ein wenig freiliegt, unter der ersten herausziehen und an deren Stelle austeilen.« Sie ließ ihren Worten Taten folgen, nahm er an, obwohl er im Leben nichts Ungewöhnliches feststellen konnte. »Sehen Sie? Herz-König.« Mit dem Zeigefinger bedeutete sie ihm, aufzudecken. »Der Pik-König lag oben.«
Als er seine Karte aufdeckte, starrte ihn der Herz-König an – ein ziemlich ausdrucksloser Geselle in diesem Blatt. Eine Sekunde später landete der Pik-König daneben. Als ob sie glaubte, dass er einen Beweis brauchte.
Er lehnte sich zurück. »Miss Slaughter, ich bin sprachlos.« Vermutlich machte er so ein ähnliches Gesicht wie der Herz-König. »Wo um alles in der Welt haben Sie das alles gelernt?«
Ihre Miene veränderte sich, doch wie immer konnte er die Bedeutung
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