Das Versprechen der Kurtisane
Augenwinkel konnte sie sehen, wie das exorbitante Kerzenlicht den Stoff aufleuchten ließ.
Wem in Camden Town konnte dieser Putz gegolten haben? Erst jetzt fragte sie sich das.
Aber das ging sie nichts an. Er konnte besuchen, wen er wollte. Sie hatte ihm sein Geld zurückgegeben, und jetzt gingen sie wieder getrennte Wege. Sie teilte zwei Karten aus, ohne aufzublicken. »Spionieren Sie mir nach, Mr Blackshear?« Nur für den Fall, dass er glaubte, sie wieder überraschen zu können.
»Ganz und gar nicht. Verzeihen Sie die Störung.« Der Stoff seiner Weste funkelte, als er eine Verbeugung andeutete. »Ich habe bemerkt, dass Sie sich abgesondert haben.«
»Ich dachte, es sei Pause gewesen.«
»Ja, natürlich. Ich meinte von der Gruppe beim Buffet. Ich hoffe, es ist alles in Ordnung?«
»In bester Ordnung.« Sie deckte die erste Karte auf – Kreuz-Ass – und die zweite – Kreuz-König. »Aber ich muss gestehen, dass Sie mir besser gefallen haben, als Sie aufmarschiert sind und mich des Betrugs bezichtigt haben. Mit Ritterlichkeit und guten Manieren kann ich nichts anfangen.«
»Dann spreche ich eben ganz offen.« Wie schnell er den Mantel des Edelmuts ablegte. Interessant. »Ich habe nach Ihnen gesucht, denn ich möchte Sie etwas fragen. Vermutlich können Sie sich denken, worum es geht.«
Und ob sie das konnte. Er hätte schon ein Holzkopf von allererster Güte sein müssen, um über das, was sich am Samstag im
Beecham’s
abgespielt hatte, nicht stutzig zu werden. Darüber war sie sich im Klaren gewesen, bevor sie ihm das Karo-Ass ausgeteilt hatte. Und hatte es dennoch getan.
Nun, er durfte fragen, soviel er wollte. Er würde ja sehen, was für Antworten er bekam. »So?« Sie reckte das Kinn, sah ihn endlich an und drehte sich zu ihm um, einen Arm auf dem Tisch, den anderen auf der Stuhllehne. »Vermutlich wollen Sie mein neues Kleid bewundern.«
»Nein. Es geht um etwas ganz anderes.« Er machte dennoch eine Pause und ließ den Blick über die indigoblaue Seide streifen. »Aber das Kleid verdient in der Tat ein Kompliment. Ich denke, da wird mir kein Mann auf der Welt widersprechen.«
»Gut möglich. Ich rate Ihnen dennoch, sich Ihre Lobrede aufzusparen, bis Sie mein anderes neues Kleid gesehen haben.« Mit einer ausladenden Handbewegung nahm sie König und Ass wieder auf.
»Miss Slaughter … flirten Sie mit mir?« Seine Augen zogen sich kurz zusammen, wie bei einem Seemann, der die Fahne eines Schiffs am Horizont zu erkennen versuchte. Dann verzog sich sein Mund und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, während sich seine Haltung entspannte und er sich mit Arm und Schulter gegen den Türrahmen lehnte. »Sind Sie so verzweifelt, dass Ihnen jedes Mittel recht ist, um mich von meinem Anliegen abzulenken?«
Das war doch mal ein Mann nach ihrem Geschmack, lebhaft und angriffslustig. »Unsinn.« König und Ass verschwanden präzise platziert im Stapel. »Wenn ich im Sinn hätte, Sie abzulenken, hätte ich ja mit meinem erotischen Spektakel beginnen können.«
Oh, wie ihm das gefiel! Seine Augen verengten sich abermals, seine Lider senkten sich und sein Grinsen wurde boshaft. »Eine Solodarbietung also? Ich bin fasziniert.«
»Ja, vielleicht.« Ha! Als wenn sie sich so leicht schockieren ließe. »Vielleicht aber auch eine Darbietung, die die Mitwirkung eines Freiwilligen aus dem Publikum erfordert.« Sie schuldete diesem Mann nichts. Sie brauchte ihre Worte nicht auf die Goldwaage zu legen, wie bei Edward. Sie konnte so frech werden, wie es ihr gefiel.
»
Das
hätte mich vermutlich in der Tat abgelenkt. Flirten jedoch nicht.« Seine Haltung war noch immer entspannt, doch er war nicht von seinem Anliegen abzubringen. »Ich möchte wissen, was am Kartentisch im
Beecham’s
geschehen ist, als wir uns zuletzt gesehen haben.«
Sie teilte den Stoß und mischte. »Da hatten Sie eine bemerkenswerte Glückssträhne, wenn ich mich recht entsinne.«
»Pah.
Sie
haben mir diese Karten zugeschanzt.« Sie blickte nicht auf, doch sie spürte seine geduldige Ruhe. Er hatte nicht vor, den Raum ohne eine Antwort zu verlassen. »Ich will mich ganz gewiss nicht beklagen, im Gegenteil.«
Ah, wieder dieser tiefere Tonfall.
Der, mit dem er sie schließlich überredet hatte, sich von ihm nach Hause bringen zu lassen. »Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Sie das gemacht haben. Oder warum.«
Sie spielte mit den Augenbrauen, um noch konzentrierter auszusehen, und senkte den Blick.
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