Das Versprechen der Kurtisane
ihre Mutter? Er schenkte ihr ein Lächeln, und sofort strahlte sie zurück, und ihr aufgerissener, zahnloser Mund war von solcher Herrlichkeit, dass er beinahe den Blick abwenden musste.
»Ich wusste, dass Sie ihr Typ sind.« Der Bastard wickelte ihn mühelos um den Finger, trotz seiner durchsichtigen Taktik. Er faltete das Taschentuch und steckte es endlich wieder ein. »Folgendes, Blackshear.« Endlich kamen sie zur Sache. »Es ist so: Niemand hier kann mich besonders gut leiden.«
»Außer Mrs Mirkwood, will ich doch hoffen.«
»Natürlich.« Er nickte knapp und machte ein Gesicht, das für seine Verhältnisse vermutlich als ernst durchgehen konnte. »Aber nachdem ich sie dazu überredet habe, so kurz nach dem Tod ihres Mannes wieder zu heiraten, und … na ja, und aufgrund gewisser Bedenken, was meinen Ruf betrifft, haben sich Ihre Brüder und Ihre ältere Schwester nie so recht für mich erwärmen können. Ich bräuchte dringend einen Verbündeten in dieser Familie.«
Will wartete misstrauisch ab.
»Wenn es also irgendetwas geben sollte, mit dem ich Ihnen einen Gefallen tun könnte, würden Sie mir eine große Freude machen.«
Oh je. Wohltätigkeit. Ausgerechnet als Brüderlichkeit getarnte Almosen. Will legte den Kopf schief und spielte mit den winzigen Fingern des Babys, die sich sofort um seine schlossen.
»Ich habe eine ganze Menge Geld und niemanden zu versorgen. Verzeihen Sie das Thema.« Aus den Augenwinkeln sah Will, wie er den Teppich anstarrte, so als sei er nicht sicher, ob er fortfahren sollte. »Vielleicht gehen Sie ja der Gesellschaft wegen ins
Beecham’s
. Die meisten Männer gehen aus anderen Gründen. Und ich sehe verdammt noch mal nicht ein, weshalb einige Familienmitglieder unter fehlendem Kapital leiden sollten, und dem womöglich auf unkluge oder erniedrigende Weise abzuhelfen suchen, während andere mehr als genug haben.« Seine gut gemeinten Worte brannten wie heiße Asche, und er wusste es, und irgendwie machte es das umso schlimmer.
»Ihr Angebot ist sehr großzügig.« Er klang wie ein Schuljunge, der versäumt hatte, sein Gedicht zu üben. »Sollte ich je in eine solche Situation geraten, werde ich darauf zurückkommen.« Er richtete jedes Wort an das Kind, das mit immer ernsterer Miene zuhörte.
Vermutlich benahm er sich absurd. Doch nicht Mirkwood, sondern er hatte einem Sterbenden versprochen, sich um dessen Frau zu kümmern. Das Versprechen, die Sühne, die Schuld lastete auf Wills Schultern, und was wäre er noch wert, wenn er einem anderen erlauben würde, ihm diese Bürde abzunehmen? »Sie ist ein entzückendes Kind, Ihre Augusta.« Er ergriff sie unter den Armen und hielt sie dem Vater hin. »Sie müssen sehr stolz sein.«
»Es gibt kaum etwas, auf das ich stolzer sein könnte.« Gott segne ihn, er wusste, wann es genug war. »Martha wünscht sich sehr, dass Sie uns mal besuchen kommen. Nichts Formelles.« Er beschäftigte sich damit, das Kind zurechtzusetzen und wandte den Blick halb ab, so als wüsste er, dass auch dies womöglich ein heikles Thema war.
»Ja, das hat sie mir auch schon gesagt. Hoffentlich kann ich mir bald einen Tag dafür freinehmen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen möchten, ich habe noch etwas mit meiner älteren Schwester zu besprechen, und ich sehe gerade, dass sie ihre Unterhaltung beendet hat.« Und fort eilte er, damit die guten Absichten dieses Mannes und das einnehmende Wesen des Kindes seinen Entschluss, keine Almosen anzunehmen, nicht am Ende doch noch ins Wanken brachten.
»Wie viele Karten, die zehn Punkte wert sind, gibt es in einem kompletten Kartenspiel?« Lydias Miene wurde wärmer, als sie sich zum Kerzenleuchter vorbeugte und begann, den linken Handschuh auszuziehen. Ihr Gesicht wurde heute von ein paar wohlplatzierten Locken umrahmt, die bei jeder Bewegung wippten und ihn ablenkten.
»Sechzehn.« Er konzentrierte sich wieder. »Zehnen und Bilderkarten, je vier. Bleiben sechsunddreißig andere Karten, falls das Ihre nächste Frage gewesen wäre.«
»Gut. Sie sind auf dem richtigen Weg.« Sie schob die Stulpe des Handschuhs hinunter und begann, die Finger zu befreien. »Wie ist das Verhältnis von Nicht-Zehnerkarten zu Zehnerkarten?«
Von einer einfachen Divisionsaufgabe sollte er eigentlich nicht überfordert sein. Wie oft ging sechzehn in sechsunddreißig? »Zwei, Rest vier. Zwei ein Viertel. Es gibt zweieinviertelmal so viele Nicht-Zehnerkarten wie Zehnerkarten. Das ist aber nicht das neue Kleid, oder? Ich meine fast,
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