Das Versprechen der Kurtisane
mussten, die so viel Erfahrung mit Männern hat wie du. Ich möchte für dich nicht bloß ein weiterer Rüpel sein, der dich benutzen will.«
»Weshalb interessiert es dich, was ich von dir halte?« Sie wand sich geradezu bei dem Gedanken, und Will fand etwas Neues über sie heraus:
Ich will dich
brachte sie nicht annähernd so sehr in Verlegenheit wie
Ich habe dich gern und möchte nicht, dass du schlecht von mir denkst.
Und ihre Frage war absolut berechtigt: Weshalb bedeutete ihm ihre hohe Meinung so viel? Er umklammerte die Tischkante fester. »Zum einen natürlich wegen unserer Abmachung. Ich muss lernen, was du mir beibringen kannst. Ich kann es mir nicht leisten, das durch deplatzierte Offenheit aufs Spiel zu setzen.« Er würde ihr noch etwas mehr geben. Schließlich hatte sie ihm vom Verlust ihrer Eltern erzählt, er schuldete ihr etwas. »Außerdem bist du die erste Person, die ich wirklich kennengelernt habe, seit ich wieder in England bin. Du bist die Erste, die ausschließlich den Mann beurteilt, der ich jetzt bin.« Sein Magen drohte Purzelbäume zu schlagen, doch er preschte vor, obwohl er den Blick dabei auf die nicht brennende Kerze im letzten Arm des Leuchters heften musste. »Ich bin sehr viel unsicherer als früher, ob ich die gute Meinung einer Dame verdiene.«
Es war so still im Raum, dass er ihren Atem hören konnte. Gott allein wusste, was sie dachte. Sie räusperte sich. »Weil der Krieg dich verändert hat?« Ein kurzer Blick verriet ihm, dass sie mit ihren Handschuhen beschäftigt war und mit einem Finger die Nähte entlangfuhr.
»Es ist schwer, das einer Frau zu erklären – jemandem, der nie gedient hat, meine ich.« Wieder fixierte er den letzten Arm des Kerzenleuchters. »Aber ich schätze, die wenigsten kehren unverändert zurück.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Der Satinhandschuh flüsterte, während sie ihn zwischen den Fingern rieb. »Mein Bruder war Soldat. Allerdings ist er gar nicht zurückgekehrt.«
»Das tut mir leid.« Er nahm die kalte Kerze aus dem Leuchter. »War er dein einziger Bruder?« Vielleicht hätte er ihr ein Zuhause geben und sie vor ihrer jetzigen Situation bewahren können.
Sie nickte. »Sein Name war Henry.« In der Pause, die folgte, konnte er beinahe hören, wie sie überlegte, ob sie mehr sagen sollte. »Erinnerst du dich an die Walcheren-Expedition vor sieben Jahren?« Ihre Finger ließen vom Handschuh ab und sie sah ihn an.
»Natürlich.« Ein entsetzlicher Schlamassel war das gewesen. Die Truppen waren in einem Sumpfgebiet stationiert gewesen, und durch die grassierenden Seuchen waren mehr Männer umgekommen als im Kampf. Er hielt den Kerzendocht in eine Flamme. »Dort ist er gestorben?«
»Am Fieber.« Als die Kerze aufleuchtete, glitzerten ihre Augen wie Eis. »Er hatte nicht einmal die Ehre, im Kampf zu fallen.«
»Das hat sehr wenig mit Ehre zu tun, das kannst du mir glauben.« Er steckte die Kerze zurück, tastend, um den Blick nicht von ihr abwenden zu müssen. »War er auch so gut mit Zahlen?«
Überraschung zuckte über ihr Gesicht – diese Frage hatte sie nicht erwartet – und dann ein Lächeln wie die aufgehende Sonne, das jede Verkrampfung in ihm zu lösen und zu wärmen schien. »
Gut
ist gar kein Ausdruck, Will!
Ich
habe eine mechanische Begabung für Zahlen, doch
er
hatte ein tiefes Verständnis, und ein Interesse an abstrakten Konzepten, das ich nicht teile. In seiner Gegenwart habe ich mich immer ein bisschen wie eins von diesen Zirkuspferden gefühlt, die mit ihren Hufen Antworten klopfen.«
»Er muss sehr stolz auf so eine Schwester gewesen sein.« Sieben oder acht Gedanken und Gefühle jagten in ihm umher. Allen voran:
So sieht sie also aus, wenn sie jemanden liebt.
»Ja, vermutlich.« Das Lächeln verschwand. Er hatte etwas Falsches gesagt, oder die Erinnerung an den Bruder war der Erinnerung an seinen Tod gewichen.
Auf einmal war das Bedürfnis, sie zu trösten, übermächtig, so verheißungsvoll wie das Gerücht von einer Oase, das einen Mann tagelang dürstend durch die Wüste stolpern lässt. Zahlen. Karten. So musste er es machen. »Ich wünschte, ich hätte entweder ein tiefes Verständnis
oder
eine mechanische Begabung, doch ich fürchte, wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass ich niemals so rechnen können werde, wie du es gern hättest.« Er ließ den Tisch los und richtete sich wieder auf. »Wäre es vielleicht möglich, dass du die Berechnungen anstellst und mir die Information irgendwie heimlich
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