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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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Vordertür, und bückte sich ein wenig, um nicht so laut sprechen zu müssen. »Er hat in Hougoumont schwere Verbrennungen davongetragen, und die Narben haben ihm ein ziemlich abenteuerliches Aussehen verliehen. Nicht, dass du dich erschreckst.«
    Sie nickte abermals und traf schweigend die Vorbereitungen, die eine Dame so traf, bevor sie einem abenteuerlich aussehenden Mann vorgestellt wurde. Als sie das Haus betraten und von einem Diener in den Salon geführt wurden, bewunderte Will aufs Neue, wie ihre Miene ihre Geheimnisse zu bewahren wusste. Sie überstand die Vorstellung mit formvollendeter Höflichkeit, ihr Lächeln wirkte keinen Augenblick lang versteinert und ihr Blick wanderte auch nicht zu Fullers beschädigtem Bein, als der Mann von seinem Schreibtisch aufstand, um sie zu begrüßen. Man hätte meinen können, dass nichts Außergewöhnliches an Fullers Aussehen gewesen wäre, oder aber dass Miss Slaughter täglich Männern mit verbrannten Gesichtern begegnete.
    Doch sie war nicht bloß höflich. Innerhalb von Minuten erkannte Will, dass sie den Mann mochte, und dass Fuller seinerseits sehr angetan von ihr war. Sie erklärte ihm ihre Vingt-et-un-Strategie und erzählte von den Tausenden von Karten, die sie in einsamen Stunden ausgeteilt hatte, um sich mit den Wahrscheinlichkeiten vertraut zu machen. Dann sprachen sie über den Holzhandel und die glänzenden Aussichten eines neuen Schiffs mit einer Tragfähigkeit von dreihundertfünfzig Tonnen.
    »Wie um alles in der Welt bestimmt man die Tonnage?« Sie hatte sich auf einen hohen Hocker am Tisch mit den Anlagenbüchern gesetzt; mit den Füßen auf einer Sprosse und den Händen an der Sitzfläche sah sie trotz ihres Kleids aus wie ein junger Buchhalter, der ein Schwätzchen eingelegt hatte. »Man müsste messen, wie viel Wasser verdrängt wird, und nach Archimedes die Auftriebskraft berechnen, aber ich kann mir nicht vorstellen, wo man ein geeignetes Becken dafür finden sollte.«
    »Machen Sie sich auf eine herbe Enttäuschung gefasst, Miss Slaughter: Das, was wir Tonnage nennen, hat gar nichts mit der tatsächlichen Tragfähigkeit zu tun.« Wie lange war es her, dass Fuller Besuch bekommen hatte? Er freute sich wie ein Schuljunge über die Ferien. »Man misst die Länge und die Breite des Schiffs und berechnet sie danach.«
    »Länge und Breite?« Sie saß gerade wie eine Spindel. »Nicht die Tiefe?«
    »Die Tiefe des Laderaums wird mit der halben Breite an der breitesten Stelle angegeben. Es gibt noch ein paar Koeffizienten, wegen der Krümmung des Kiels und so weiter, aber wirklich gemessen werden nur Länge und Breite.«
    »Dann sollte man ein schmales Schiff mit möglichst viel Tiefgang bauen, um weniger Lotsen- und Hafengebühren zu bezahlen und trotzdem viel transportieren zu können.« Wie bereitwillig sie sich mit diesen Dingen befasste. Man brauchte ihr nur ein paar Zahlen um die Ohren zu hauen, und schon war sie Feuer und Flamme.
    Will lehnte sich in seinem Sessel am Feuer zurück und streckte die Beine aus. »Ja, aber bei Ebbe läuft man auf Grund, während die Konkurrenz an einem vorbeizieht.« Er lächelte sie an – beinahe mit einem Augenzwinkern.
    »Stimmt, daran habe ich nicht gedacht.« Sie klang verdrossen und ihre Haltung ließ nach. Offensichtlich erwartete sie von sich, dass sie die Feinheiten des Seehandels ebenso schnell erfasste wie die des Kartenspiels. Und vermutlich überhaupt von allem.
    Fuller versicherte ihr, dass viele Händler tatsächlich genau nach ihrer Devise vorgingen und das Risiko, das Mr Blackshear angesprochen hatte, in Kauf nahmen, und dass die Schiffe mit den tiefsten Kielen ziemlich oft auf Grund liefen und manchmal sogar kenterten, wenn die Ebbe kam. Will legte einen Stiefel über den anderen, hörte einfach zu und ließ den Blick zwischen dem Händler an seinem Schreibtisch und der Falschspielerin auf ihrem Hocker hin- und herschweifen.
    In einem trägen Tagtraum am warmen Kamin war es gar nicht so schwer, sich ein Leben vorzustellen, in dem sie oft zu dritt zusammenkämen. Wenn sie sich erst ihre Unabhängigkeit erkauft hatte, würde sie besuchen können, wen sie wollte. Vielleicht würde sie hierherkommen wollen, sich die Bücher ansehen und ab und zu mit zwei Herren Karten spielen, die sie vielleicht irgendwann als ihre Freunde betrachten würden. Das war doch möglich, oder nicht? Dass man nach einem so feindseligen Anfang die Klippen der Koketterie und der Begierde sicher umschiffen und Freunde werden

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