Das Versprechen der Kurtisane

oder? Er war mit niemandem in ihrem Kreis näher bekannt, außer mit diesem Viscount. Warum sollte er eine Woche in Essex verbringen wollen, unter Leuten, mit denen er nichts zu tun hatte? Unter unrespektablen Leuten zudem, die eine Vorliebe für Mätressen und Skandale hatten. Genau die Art von Leuten, zu denen er nicht gehören wollte, wenn sie seinen Worten glauben durfte. Er würde nicht kommen. Er durfte nicht kommen. Denn allen Prüfungen, die sie zu erdulden gelernt hatte, zum Trotz war sie nicht sicher, ob sie sieben Tage unter einem Dach mit Mr Blackshear ertragen konnte.
    Will wandte den Blick von der Einladungskarte ab und warf sie auf den Tisch. Sie landete auf dem Stapel Post, glitt daran hinunter und fiel kopfüber zu Boden.
    Großartig. Er bückte sich, um das Stück Boshaftigkeit aufzuheben, den höhnischen Schlussstrich unter dem Schlamassel, den er verursacht hatte, und legte es auf den Brief von diesem Mr Grigsby. Noch mehr Hohn. Grigsbys Dienste würden gar nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn Miss Slaughter ihre zweitausend Pfund nicht gewann. Und Will würde gar nicht erst in die Verlegenheit kommen, sich eine vergessene Investition ausdenken zu müssen, die George Talbot angeblich getätigt hatte, denn ohne das Kapital für Fuller würde es auch keine Rendite für Mrs Talbot geben.
    Abrupt wandte er sich vom Tisch ab. Drei Schritte brachten ihn zur gegenüberliegenden Wand. Man konnte seine Fehler nicht sehr weit hinter sich lassen in einer Junggesellenwohnung. Genauso wenig wie anderswo vermutlich. Er lehnte sich an die Tapete und fuhr sich mit ruhelosen Fingern durchs Haar. Ein kalter Wind, schon wieder so ein kalter Wind in diesem erbärmlichen angeblichen Frühling umsäuselte das Fenster an der gegenüberliegenden Wand.
    Sie war gestern nicht im
Beecham’s
gewesen. Er war hingegangen, um … Um was zu tun? Um abermals zu sagen, dass es ihm leidtat, in der Hoffnung, dass sie diesmal dafür dankbar sein würde? Um so zu tun, als sei nichts gewesen, und zu fragen, wann sie das nächste Mal Zeit haben würde, in die Spielhölle zu gehen? Um sie in einen dunklen Winkel zu locken, alle Gebote des Anstands zu ignorieren und zu Ende zu bringen, was sie angefangen hatten? Jedenfalls war sie nicht da gewesen. Fünf Apriltage waren bereits verflossen, und ihm fehlten noch fast tausend Pfund. Er sollte Fuller sagen, dass er sich nach einem anderen Investor umsehen sollte.
    Doch er würde warten. Vielleicht war es ihr ja doch möglich, ihren Unmut über ihn hintenanzustellen, um den gemeinsamen Plan weiterzuverfolgen. Er musste hoffen, mit all seiner Kraft, dass ihre herzlose Entschlossenheit die Oberhand gewinnen würde.
    »Ich habe es für dich getan, du Schaf«, murmelte Eliza hinter ihrem Fächer hervor. Ein Hauch von Jasmin drang zu Lydia herüber, als ihre Freundin sich vorbeugte. »Und vielleicht auch ein wenig für den Gentleman. Es war von Anfang an offensichtlich, dass er Interesse hat, und wann soll er sonst je wieder die Chance bekommen?«
    »Ich wünschte, du wärst so freundlich gewesen, mich vorher zu fragen, ob ich das will.« Lydia sprach ebenfalls leise und verbarg sich hinter einem Fächer. Edward und Lord Randall lachten wiehernd über das Stück, insbesondere über die schreckliche alte Dame, die mal wieder das völlig falsche Wort erwischt hatte, und da es im Publikum generell recht laut und unruhig zuging, war es unwahrscheinlich, dass sie sich nach ihren Damen umdrehen würden. »Er hatte nie eine Chance. Er kann sich keine Mätresse leisten. Und Mr Roanoke unterhält mich sehr gut.«
    »Er unterhält sich sehr gut
mit
dir, meinst du wohl. In der Bibliothek.« Eliza fächelte, und scharlachrote Federn tanzten in fröhlichem Spott. »Wir haben dich im
Beecham’s
in letzter Zeit kaum noch zu Gesicht bekommen.« Wieder kam der Jasminduft, als Eliza sich vorbeugte. »Captain Waterloo ist am Boden zerstört. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als Mr Roanoke dich letztes Mal aus dem Ballsaal gezerrt hat.«
    »Er
zerrt
mich nirgendwo hin.« Und Captain Waterloo hatte hervorragende Gründe dafür, am Boden zerstört zu sein. Wenn er sie nicht geküsst hätte, wenn er sie nicht erst angerührt hätte, nur um sogleich wieder zu Verstand zu kommen, würden sie morgen wieder eine Spielhölle aufsuchen. Er hatte es aber, und nun konnte sie ihn kaum ansehen, geschweige denn mit ihm in einem Raum bleiben und ein Gespräch riskieren. »Ich gehe gern, wohin mein Beschützer gehen