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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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guckte neuerlich in die Papiere) „auf dem Erbacker des Volks“, oder wie’s einer unserer großen nationalen Erwecker formuliert hat.
    Modráček hatte keineswegs Lust auf ein Gespräch über das, was man jetzt sozialistische Neorenaissance oder sozialistischen Neoklassizismus nannte, und faselte daher nur lang und breit was von Fassadendekoration, von Fresken, Sgraffiti und farbigen Basreliefs mit Arbeits- und Kindermotiven, also von Dingen, mit denen er nichts zu tun hatte.
    Láska hörte eine Weile zu oder tat eher, als würde er zuhören, um ihn dann unerwartet mitten im Satz unterbrechen zu können: Hören Sie, Modráček, gegenüber von Ihnen wohnen irgendwelche Kratochvils, das ist doch so? (Und er guckte wieder in die Papiere.) Anežka Kratochvilová und ihre Söhne, Jiří und Josef. Und auch ihre Eltern, František und Emilie Žyla. Wahrscheinlich wissen Sie, dass ihr Gatte emigriert ist. Deswegen ist es notwendig, dieser Familie erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen, damit ihnen nicht was Missliches zustößt. Und dazu sind selbstverständlich wir da. Ich habe jedoch darüber nachgedacht, ob Sie uns dabei nicht behilflich sein könnten …
    Láska schaut Modráček an, und Stille breitet sich aus, bis man im benachbarten Untersuchungsraum hören kann, wie dort jemand anscheinend im Kreis, und zwar möglicherweise mit Rollschuhen, im Zimmer herumfährt und dabei gegen die Möbel prallt.
    Schauen Sie, Genosse, sagt Láska, und drückt in einem großen gusseisernen Aschenbecher die Zigarette aus. Damit wir uns recht verstehen, Schluss mit lustig, der Hauptgrund, warum ich Sie vorgeladen habe, ist nämlich ein anderer. Wir haben auch ein Auge auf Ihre Schwester, damit auch ihr nicht etwas Missliches zustößt. Sie wissen ja, dass wir schon zwei Flugblattmenschen, die sich in irgendwas hineinziehen ließen, verhaften mussten. Nur der dritte ist übrig geblieben, der weiterhin regelmäßig Ihr Schwesterchen besucht. Und jetzt verrate ich Ihnen was, damit Sie wissen, dass Sie unser volles Vertrauen genießen. Dieser dritte Flugblattmensch, der, der mit Ihrem Schwesterchen pennt, arbeitet nämlich mit uns zusammen. Da schauen Sie, da schauen Sie, lächelt Láska. Aber ich muss Sie auch gleich warnen. Ich habe auf Sie gesetzt, sodass ich wohl hoffen darf, dass Sie nicht stante pede zu Ihrer Schwester laufen und ausplaudern werden, was Sie soeben erfahren haben. Im Gegenteil, ich rechne damit, dass Sie uns gerade hier am meisten behilflich sein werden. Ihre Schwester hat nämlich, da müssen wir nicht lange herumreden, großes Talent. Genau, sie ist ein Riesentalent, aber sie sollte sich dafür Zügel anschaffen, weil es ihr irgendwie seltsam und wer weiß wohin davongaloppiert.
    Láska erhob sich vom Tisch und zeigte auf die an den Wänden aufgehängten Landschaften, ging von einer zur anderen und erklärte, er sei ein großer Liebhaber der Malereikunst. Ihr Schwesterchen würde ich mir hier auch sehr gerne aufhängen, kann es vorerst aber nicht. Anstatt dass ihre Kunst uns allen zu unvergesslichen Erlebnissenverhelfen würde, gießt sie von ihrer Palette Gift in ihre Bilder, so ist es, ein amerikanisches Gift, das man malerische Abstraktion nennt …
    Und hier versuchte Modráček zu protestieren. Wie wir wissen, war auch er keineswegs davon begeistert, wie sein Schwesterchen jetzt malte, aber darum ging es nicht, er musste sie von dieser gefährlichen Anschuldigung befreien, dieser die Spitze nehmen, und so machte er den Leutnant darauf aufmerksam, dass am Beginn der abstrakten Malerei nicht amerikanische Imperialisten stünden, sondern die russischen Maler Kandinsky und Malewitsch.
    Na sieh mal einer an, wieder will er mich belehren. Ihr Schwesterchen verpasst Ihnen offenbar Schulungen, nickte Láska mit dem Köpfchen. Aber vergessen Sie nicht, auch wir haben unsere Schulungen. Es ist sehr traurig mit Ihnen, Genosse Modráček. Immer wenn wir uns schon einem gewissen Verständnis nähern, weichen Sie gleich wieder zurück. Sie sind unbelehrbar. Aber macht nichts, Sie können schon gehen. Für heute reicht uns das. Warten Sie noch, bleiben Sie sitzen, ich rufe den Deschurni, also den Diensthabenden, der Sie begleiten wird.

DIE BRÜSTUNG
    Die Tür ging auf und die Putzfrau guckte herein und zog an einer langen Schnur den Staubsauger hinter sich her: Genosse Švarcšnupf, kann ich mit der Arbeit anfangen?
    Ich leckte mir die Lippen ab und befahl ihr: Aber ordentlich, Genossin! Gestern hab’ ich auf der Brüstung

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