Das Versprechen des Architekten
Staub gefunden.
Sie schnauzte mich an: Nicht ordinär werden, Genosse! Ich werde mich beim Kommandanten beschweren.
Im nächsten Moment wurde mir klar, dass das die gut durchgekaderte Tante des Genossen Slepec ist, und so versuchte ich ihr zu erklären, dass eine Brüstung nicht das ist, was sie meinte. Eigentlich wusste ich nicht, was sie meinte. Aber das ist egal. Sie glaubte mir sowieso nicht.
Es war höchste Zeit, zur Russischstunde zu laufen. Aber ich musste noch kurz rauf zum Kommandanten wegen irgendwelcher Instruktionen für die nächste Woche, weil der Kommandant noch heute nach Dresden fahren würde. Genosse Chovanec, der im Büro vor dem Chefzimmer sitzt, grinste mich an: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Švarcšnupf, Švarcšnupf, der Chef hat nach dir gefragt, als er gegangen ist.
Was hast du ihm gesagt?
Dass ich nicht weiß, wo du steckst.
Du wusstest doch, dass ich ein Verhör hatte. Die verhörte Partei war verstockt, und so hat sich das Verhör enorm in die Länge gezogen.
Enorm!, lacht Chovanec. Wo hast du das her, enorm? Was für ein hübsches Wort! Pass nur auf, dass es kein imperialistisches Wort ist!
Ich habe immer gewusst, dass Chovanec gefährlich ist. Es sieht aus, als würde er bloß so herumwitzeln, in Wirklichkeit jedoch überwacht er uns hier alle. Man muss ja nur den Genossen Zhořelec hernehmen, was mit dem passiert ist. Er hat wie wir alle hier gelebt, hat seine Fälle verhört und von den Verhören Protokolle erstellt, hat Verdächtige beschattet, ich würde sagen, er ist sehr arbeitsam gewesen, und auf einmal peng!, plötzlich war er verschwunden, und erst später erfuhren wir, dass ihn der Kommandant am Abend zu sich gerufen und die ganze Nacht verhört hat, und früh am Morgen haben sie ihn dann weggebracht, irgendwohin, von wo er nicht mehr zurückgekommen ist. Es hatte sich herausgestellt, dass er ein destruktives Element war. Er hatte sich für den Sohn eines kleinen Handwerkers ausgegeben, dann jedoch machte ihn Chovanec bei irgendeiner Feier betrunken und entlockte ihm, dass Zhořelecs Vater früher eine Installateurfirma und elf Angestellte hatte. Elf ausgebeutete Angestellte! Der Kommandant sagte uns einmal: Ihr könnt lügen, wie ihr wollt, aber die Partei, Genossen, die Partei führt ihr nicht hinters Licht!
Aber ich muss schon los. Meine Russischstunde beginnt um vier. Die Alte wohnt in der Poštovská, waszum Glück gleich um die Ecke ist. Warwara Muchljakowa hat unten vier Klingeln, für jedes Zimmer eine. Sie ist eine schwerhörige alte Vettel, deswegen muss sie nicht nur im Zimmer eine Klingel haben, sondern auch in der Küche, im Vorzimmer und am Klo. Ich drücke mit der flachen Hand alle vier Knöpfe auf einmal. Und nach einem Weilchen noch einmal. Ich trete ein Stück zurück und schaue zu ihrem Fenster im zweiten Stock, aber es öffnet sich nicht. Dafür fliegt die Haustür auf, und ich schaffe es, im letzten Moment wegzuspringen, sonst hätte sie mich mitten auf die Straße, unter einen fahrenden Tatra, geschleudert. Genosse Klouček, der die Stunde vor mir hat, stürzt heraus. Warte, heute erlebst du was, heute stinkt die Babuschka wie Zarenscheiße!
Neotkrywat, towarischtsch Schwarzschnupf, cholod-no! – Nicht öffnen, Genosse Švarcšnupf, es ist kalt! Und sie scheucht mich vom Fenster weg. Wir stehen uns dort gegenüber, und die Alte stinkt die ganze Zeit mörderisch, und ich bekomme jetzt die volle Ladung in die Lungen, bis sie schon ganz zugeschissen sind.
Saditjes, towarischtsch Schwarzschnupf …
Ich setze mich in einen wackeligen Armstuhl, öffne das Lehrbuch, finde die Seite und versuche, mich durch den Kyrillizadschungel durchzuhauen, allerdings fehlt mir die Machete, und ich tappe daher nur so auf der Stelle herum. Schließlich passe ich, und Warwara Muchljakowa liest mir vor, und ich spreche einfach nach:
Warwara: Dewuschki, kakaja schara! – Mädchen, was für eine Hitze!
Ich: Dewuschki, kakaja schara …
Warwara: Dawaitje, poidjom posle sanjatii kupatsa! – Los, gehen wir nach dem Unterricht schwimmen!
Ich: Dawaitje, poidjom posle sanjatii kupatsa!
Warwara: Oi, dewuschki, ja ne smogu poiti s wami! – Ach, Mädchen, ich kann nicht mitkommen!
Ich: Oi, dewuschki, ja ne smogu poiti s wami!
Warwara: Mama mnje sapretila kupatsa v reke! – Mama hat mir verboten, im Fluss zu baden!
Ich: Mama mnje sapretila kupatsa v reke!
Warwara: V takom slutschaje tebja schdat ne budjem! – In diesem Fall werden wir nicht auf dich
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