Das Versprechen des Architekten
warten!
Ich: V takom slutschaje tebja schdat ne budjem!
Das geht schon ganz gut. Ich würde sagen, bald werde ich genauso gut russisch können wie der Kommandant. Und auf Urlaub fahr’ ich auf die Krim, ans Schwarze Meer. Oi, dewuschki, ja budu kupatsa v Tschornom morje! – Ach, Mädchen, ich werde im Schwarzen Meer baden! Und sieh einer an, die Alte stinkt auch nicht mehr so.
Gegenüber an der Wand hängt eine große Wandtafel, und es sind allerlei große und kleine Bilder darauf, höchstwahrscheinlich russische Heilige mit goldenen Gloriolen, und unter ihnen, in Farbe, der hochoberste Heilige, Genosse Stalin. Und unter der Wandtafel ist ein Halter befestigt, auf dem immer eine Kerze brennt. Und auf dem Boden steht eine Tropfschale, und in sie tropft das Wachs der Kerze. Genosse Klouček hat mir einmal erklärt, diese Wandtafel mit den Heiligen und mit Stalin sei eine Ikonostase.
Ich wohne in der Pekařská, in so einem mittelmäßigen Konfiskationsobjekt. Es ist eine Zweizimmerwohnung in einem Pawlatschenhaus, die Wohnung eines geflüchteten Komponisten. Manchmal habe ich das Gefühl, er hat mir das absichtlich angetan. Als hätte er gewusst, dass seine Wohnung später die Staatssicherheit beschlagnahmen und mir zuteilen würde. Feuchtigkeit steigt in den Wänden hoch, und es wimmelt nur so von Schaben.
Das Schild neben der Klingel lautet auf Rudolf Švarcšnupf. Hier in der Bäckergasse kennen mich alle nur als Švarcšnupf, den stillen, ein wenig verschüchterten Verwandten jenes Komponisten. Was ein Gerücht ist, das der Kommandant hier hat verbreiten lassen, damit niemand ahnt, dass ich in Wirklichkeit ein Bulle, Leutnant Láska, bin.
Ich stecke den Schlüssel ins Schloss, aber das Schloss widersetzt sich, ich hätte es schon längst austauschen sollen, und so muss ich jetzt läuten.
NABOKOV SAGT SICH AN
Architekt Modráčeks Vater, Dozent Zdeněk Modráček, hatte an der philosophischen Fakultät in Brünn Vorlesungen über philosophische Propädeutik und Logik gehalten. Kurz nach der Besetzung der Tschechoslowakei starb er jedoch nach irgendeiner banalen Operation an einer Lungenembolie.
Dozent Modráčeks Interesse galt in erster Linie der christlichen Philosophie, und zwar jenem Zweig, der maßgeblich vom bedeutendsten Vertreter der Religionsphilosophie in Russland, Wladimir Solowjow, und seiner Idee des Gottmenschentums beeinflusst worden war. Solowjows grundlegende Werke, „Die Krise der abendländischen Philosophie“ und „Vorlesungen über das Gottmenschentum“, hatte er ins Tschechische übersetzt. Von Solowjews Fortsetzern faszinierte ihn begreiflicherweise am meisten Nikolai Berdjajew, jener existenzialistische Metaphysiker. Aus dessen Œuvre hatte er die „Philosophie des freien Geistes“ übersetzt. Während der Arbeit an der Übersetzung hatte er mit Berdjajew, der als Emigrant in Paris lebte, schriftlich Kontakt aufgenommen und war dadurch auch mit der dortigen russischen Diaspora in Verbindung gekommen. Und weil die russische Diasporain Paris eng verknüpft war mit der in Berlin, wurde es unvorstellbar, dass sich Dozent Modráčeks Kontakte nicht nach und nach auch auf bedeutende russische Persönlichkeiten in Berlin ausweiteten. Und auf diese Weise ergab sich die Korrespondenz mit dem Schriftsteller Sirin, also Vladimir Nabokov.
Und so wurde Zdeněk Modráček auch zu Nabokovs erstem tschechischem Übersetzer. Anfangs dünkte es ihn zwar ungeheuer schwierig, das dünne Eis zwischen der Übersetzung philosophischer Essays zum Übersetzen künstlerischer Literatur, also belletristischer Texte, zu überschreiten, dann verfiel er diesem Unterfangen. Er übersetzte ein paar Gedichte und Erzählungen Nabokovs und stürzte sich mit Verve in die Übersetzung des Romans „Lushins Verteidigung“. Von dem kühnen Vorhaben sind in Modráčeks Nachlass nur vierunddreißig heute schon ganz vergilbte Seiten übrig. Aus der Korrespondenz zwischen Modráček und Nabokov entwickelte sich jedoch eine solide Freundschaft, die überdies noch dadurch gefestigt wurde, dass der Dozent auf Nabokovs Wunsch mehrmals dessen Mutter, Jelena Iwanowna, geborene Rukawischnikowa, besuchte, die, nachdem ein Attentäter ihren Mann, Nabokovs Vater, in Berlin erschossen hatte, im Jahre 1923 nach Prag, nach Smíchov, zog.
Nachdem Hitler dann Reichskanzler geworden war, wurde das Leben in Berlin immer gefährlicher, schließlich war Nabokovs Frau, Vera Jewsejewna, geborene Slonim, eine russische Jüdin. Trotzdem
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