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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Villen, mit allem ausgestattet, womit heutzutage im Westen solche Luxusvillen ausgestattet sind, unter sich verteilt haben. Und Láskas Familie haben sie in ein stinkendes Pawlatschenhaus verabschiedet. Wobei sich bestimmt eine hochwertigere Wohnung gefunden hätte, da jedoch hätte der Kommandant nicht seine Favoritinnen (und möglicherweise, weil er sexuell unersättlich war, sogar Favoriten) haben dürfen.
    Aber immer noch ist Brünn voller Klassenfeinde, die sich aus dem Staub zu machen versuchen, was ihnen mitunter gelingt, oder sie werden von jemandem denunziertund enden dann bei Verhören, von denen sie oft nicht mehr zurückkommen, so oder so werden in Brünn immer noch Wohnungen von Fabrikantenfamilien frei, die bis jetzt aus den alten Zeiten überlebt haben wie die Trilobiten unter den Prager Barrandov-Terrassen, immerzu werden Wohnungen frei von Vervielfältigern staatsfeindlicher Flugblätter, von Verschwörern und Renegaten in den eigenen Reihen oder von jenen, denen jetzt nachträglich Kollaboration mit dem Protektoratsregime nachgewiesen wird, oder jenen, die sich hartnäckig weigern, mit dem gegenwärtigen Regime zu kooperieren. Und daher weiß Láska, dass es bloß reicht, Stilaugen zu machen beziehungsweise selber ein wenig nachzuhelfen, jemandes Schicksalsrädchen einen kleinen Schubs zu geben.
    Láska, noch immer an der Tür, wo wir ihn haben stehen lassen, schiebt jetzt sachte seine Ehefrau weg und eilt als Erstes in den Pawlatschenhof. Anni hockt dort, wie er es erwartet hat, neben den Mülltonnen und spielt mit einer rostigen Blechdose, indem sie mit einem Nagel an ihr herumkratzt, was diese Art idiosynkratischen Ton erzeugt, bei dem einen die Gänsehaut überläuft. Und sie hebt das Köpfchen und blickt mit ihren leuchtenden Augen Láska an. Und der läuft zu ihr hin und liest sie vom Boden auf und schließt sie samt der rostigen Blechdose und dem Nagel, die sie beide nicht loszulassen gedenkt, in seine Arme.
    Láska ist sich dessen bewusst, dass sein Töchterchen mental zurückgeblieben ist, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung ist, daran aber denkt er gar nicht, für ihn ist sieein herrliches und wunderbares kleines Menschenwesen, von dem er intuitiv weiß, dass es in der Hierarchie der Werte und Schätze der Welt einen bedeutenden Platz hat, so wie er weiß, dass der kleine Körper, der jetzt wonnig in seinen Armen bebt, einmal alle bezaubern und ein strahlender Rubin in einer goldenen Krone sein wird und dass der Platz seiner Anni daher vor den vielen Regenten der mächtigsten Staaten auf der Erde ist, vor allen, deren Namen jetzt eben die Schlagzeilen in den Zeitungen füllen und die vergoldeten Visitenkarten wirklicher wie unwirklicher Zelebritäten wie sogar vor jenen, die meinen, sie trügen die Fackeln, die die Bühnen der Zukunft beleuchten. Und es ist ihm wohl bewusst, dass es seine, Láskas, Pflicht ist, dieses wunderbare Würmchen vor der Bosheit und allen Gefahren der Welt zu beschützen. Und genauso gut weiß er, dass er bereit ist, absolut alles zu tun, nur um dieser seiner Pflicht nachzukommen.
    Und so trug er das kleine zerbrechliche Körperchen (zusammen mit seiner Dienstaktentasche und der rostigen Blechdose und dem rostigen Nagel) die Pawlatschentreppe hinauf in seine Wohnung.
    Und im Zimmer über dem Pianino erwartete die kleine Anni heute schon etwas ungeduldig der helle Schatten an der Decke, die zart fluoreszierende Seele jenes Musikers, der mit diesem Pianino Stunden, Wochen und Jahre zugebracht hatte, bis ihn jemand aus dem Komponistenverband der Huldigung von Arnold Schönbergs atonaler Musik bezichtigte. Und da er genau wusste, welche Folgen das nach sich ziehen konnte, versuchte er, gleich nachdem die Beschuldigung gefallen war, zu fliehen.Nach erfolgreichem Überschreiten der Staatsgrenze jedoch stürzte er in den tiefen Fäkalienbehälter eines grenznahen bayerischen Großgrundbesitzes, und ehe die Nacht auf den Morgen traf, war er dort an den aggressiven Biogasen erstickt.

NABOKOV KOMMT ANGEREIST
    Ich erinnere mich, wie Vater, ja, lasst es uns so sagen, vollkommen durchdrehte wegen der bevorstehenden Zusammenkunft mit Nabokov. Zu der Zeit wohnten wir noch in der großen Wohnung in der Augustinská ulice, hinter deren hoher Mauer der Klostergarten des Augustinerordens lag. Unter den Kommunisten hatte man sie allerdings von Augustinská auf Jaselská umbenannt.
    Es war ein warmer Mai des Jahres siebenunddreißig, und ich kehrte auf Vaters Wunsch rascher als

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