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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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an seinem Hals befreien könne, der ihn in unglückliche Tiefen hinabziehe.
    Ich wollte noch einwenden, dass Honza Rychlík es sich vielleicht wünsche, der Putzfleck seiner Frau zu sein, und dass sich einem fatalen Unglück zu widersetzen ohnehin vergeblich sei. Aber ich sagte keinen Ton mehr und nahm sein Angebot, seinen Auftrag an, obwohl er auch in Widerspruch zu einer meiner grundsätzlichen ethischen Regeln stand: als Klienten, als Auftraggeber, immer nur den zu akzeptieren, den es direkt betrifft, und keinen Fall aus zweiter Hand zu übernehmen, ohne Wissen desBetroffenen. Diese ethische Regel habe ich bisher nämlich nie gebrochen. Wenn früher jemand zu mir kam, damit ich mich des Falls eines Verwandten oder Bekannten annähme, hab’ ich ihn flott abgeschmettert, weil niemand das Recht hat, sich in fremde Liebesschlamassel einzumischen, nicht mal der beste Freund oder von mir aus ein Bruder oder die Schwester. Das allerdings, Meli, war in den Zeiten, als ich eine Sekretärin hatte und die Leute meiner Detektivdienste wegen bei mir Schlange standen. Aber jetzt wollte ich diesen Fall nicht verlieren. Und daher ließ ich ihn zu Wort kommen.
    Angeblich war ihm Folgendes passiert: Das Elektrohaus hat in Žabovřesky irgendwelche Lager, und dort war er bis halb sechs hängen geblieben, und als er dann am Kino Lucerna vorbeiging, sah er, dass sie dort „Die Wacht am Amur“ spielten, so eine sowjetische Filmschnulze, und da sagte er sich, dass es Zeit für ein bisschen Seelenfutter sei. Er kaufte sich eine Eintrittskarte und schaute sich im Gang eine Ausstellung sowjetischer Filmplakate an. Das Kino war, eine halbe Stunde vor Beginn, noch gähnend leer, aber der Saal war schon offen, es wurde gelüftet, und daher guckte er hinein und sah, dass gerade ein ungewöhnliches Diapositiv auf die Leinwand projiziert wurde, wahrscheinlich noch aus der Ersten Republik, es wies die Damen im Kinosaal darauf hin, vor der Vorführung die Hüte abzunehmen. Und ein solches Hütchen, mit Pfauenfedern und Blumen bestückt, war auf dem Diapositiv abgebildet. Und jenes Diapositiv aus den Zeiten, wo man zu Genossinnen noch Damen sagte und wo solche bürgerlichen Hütchen getragen wurden, zog ihn so in Bann,dass er in den Saal eindrang. Und in dem Moment nahm er auf der anderen Seite eine Bewegung wahr und drehte sich um und sah, dass sich gerade die Tür zur Vorführkabine öffnete und ein Typ, also vermutlich der Vorführer, erschien und mit ihm eine Frau, die sich noch in aller Eile die Knöpfe zuknöpfte.
    Er reimte sich zusammen, dass die Kabine auch als Liebesnest diente. Also setzte er sich, mit dem Rücken zu ihnen, an den Rand einer Reihe, aber dann vernahm er ein Stimmchen, das ihm bekannt vorkam. Er blickte von Neuem zu ihnen hin, und diesmal sah er im Licht aus der Kabine einen Moment lang auch ihr Gesichtchen, wie es mit geschlossenen Augen und mit zu einem Kuss gespitzten Lippen auf das Gesicht des Vorführers traf und ein Weilchen dort selig verweilte. Dann entließ sie der Vorführer aus seinen Armen, begleitete sie aus dem Saal (der Leiter vom Elektrohaus hatte sich schnell abgewandt, damit sie ihn nicht erkannte), kehrte in die Kabine zurück und schaltete das Diapositiv aus.
    Im Laufe der Woche besuchte der Leiter vom Elektrohaus Honza Rychlík in der Apotheke und lenkte das Gespräch geschickt auf dessen Frau und erfuhr, dass sie in der letzten Zeit jeden Mittwoch spät von der Arbeit heimkäme, weil sie im Postamt jetzt was einzuarbeiten hätten.
    Weil er jedoch Gewissheit haben wollte, begab er sich am nächsten Mittwoch wieder ins Kino Lucerna. Diesmal zeigten sie den sowjetischen Kostümfilm „Admiral Nachimow“. Es war wieder vor halb sechs und auf der Leinwand abermals das Diapositiv, das die Damen darauf hinwies, vor der Vorführung seien die Hütchen abzunehmen. Dafiel ihm bereits ein, es könnte sich eventuell um ein Signal für das Kinopersonal handeln, speziell aber vielleicht für den den Vorführer später ablösenden Kollegen, das heißt um einen Hinweis, die Kabine, die aus Sicherheitsgründen (häufiger Brände, der Selbstentzündung brennbarer Film-materialien wegen) nämlich nie zugesperrt werden durfte, aus bestimmten Gründen noch nicht zu betreten. Und alles lief, nur mit kleinen Variationen elementarer Bewegungen, genau wie vor einer Woche ab. So richtete sich Rychlíks Frau diesmal vor der Vorführkabine die Strumpfbänder, und der Vorführer schob sie nach dem Abschiedsritual in den

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