Das Versprechen des Architekten
Berliner Konsulat der UdSSR. Sie entschließen sich, ihn vor ein improvisiertes Gericht zu stellen und ein Urteil zu fällen über einen jener, die ihre Verwandten und Freunde eingesperrt, gefoltert und ermordet und sie selbst in die Emigration getrieben haben. Sie schwanken zwischen Todesstrafe oder „lebenslänglich“ und entscheiden sich für das humanere „Lebenslänglich“, weil sie ja doch nicht wie „sie“ sind. Dann krempeln sie das Badezimmer in ihrer Wohnung um zu einer Gefängniszelle und sperren dort ihren lebenslänglich Gefangenen ein. Mit diesem Augenblick allerdings hat für sie ein neues Leben begonnen. Sie werden zu Gefängniswärtern, und es ist ihre Pflicht, sichum seine Haft zu kümmern. Weil es sich hier aber um ein humanes, mitnichten sowjetisches Gefängnis handelt, ernähren sie ihn gut, und als außerordentliches Privilegium – von dem die sogenannten Klassenfeinde in den sowjetischen Kerkern und Lagern nicht einmal träumen konnten – bekommt der Gefangene Bücher zum Lesen, damit er sich bilden, ja eventuell sogar ästhetisches Behagen bei der Lektüre literarischer Meisterwerke erleben kann. Er schläft auf einer Matratze in der Badewanne, bekommt regelmäßig saubere Wäsche und wird sogar langsam dick in dem eleganten Morgenrock, den er statt einer Gefängnismontur bei ihnen ausgefasst hat. In der Familie gilt die Abmachung, dass ihn, sollte er in diesem Badezimmer ein höheres Alter erleben als seine Kerkermeister, deren Kinder und gegebenenfalls die Kinder der Kinder erben werden, dass man ihn sich eben von Generation zu Generation weiterreichen werde.
Also Sie sind wirklich dieses Bärenkäfigs wegen gekommen? Wollen Sie einen Bären dazu kaufen als Geschenk für Ihre Frau?
Na, das gerade nicht, lache ich, und der Antiquitätenhändler stellt keine weiteren Fragen mehr. Diskretion gehört zu seiner Profession wie ein lederner Maulkorb auf eine Bärenschnauze. Er geht, um den Käfig aus dem Lagerraum herbeizuschaffen. Der Käfig ist zusammengelegt, aber auch so von Respekt einflößender Größe. Der Antiquitätenhändler macht den Raum frei, schiebt Empirestühle, Jugendstilkommoden, Biedermeiertischchen zur Seite, bis genug Platz ist und er den Käfig aufdem Boden aufbreiten, ihn mir vorführen kann. Auch so ist er immer noch ein herrliches, vergoldetes Exemplar. Ich bücke mich, knie mich vor ihn hin und schiebe meine magere Hand zwischen die Stäbe des Käfigs und berühre seinen Metallboden und ziehe dann die Hand wieder zurück und hebe sie zum Licht, und siehe da, auf drei Fingern, dem Zeige-, Mittel- und Ringfinger, gleich ein paar rostbraune Bärenhaare.
Mein Gott!, sagt der Antiquitätenhändler und geht dabei um meine erhobene Hand herum.
Ich greife in die Brusttasche nach meiner Geldbörse, und der Antiquitätenhändler läuft nach hinten und blättert dort eine Weile in einem großen Buch und nennt dann einen Betrag. Ich zahle und helfe ihm, den Käfig wieder zusammenzuklappen. Wir bleiben noch eine Weile vor ihm stehen und wechseln ein paar Sätze, bis dann der Antiquitätenhändler den Käfig packt, um mir beim Aufladen zu helfen. Da jedoch springt auch schon eine Art Gehilfe herbei, der bisher nur zugeschaut hat. Ich gehe die kleine Treppe hoch, um die Tür zu öffnen und zu halten. Und vor dem Laden hilft mir der Antiquitätenhändler noch mit diesem Gehilfen, den Käfig auf den Gepäckträger des Hadimrška zu hieven. Und als er oben ist (stellt euch einen Hadimrška, einen Tatra 57, vor, auf dem ein Bärenkäfig sitzt, stellt euch eine Schildkröte vor, auf der ein Elefant sitzt!), bedeute ich ihnen mit einem Nicken, noch einen Moment zu warten, und hole aus dem Auto die Schachtel, die ich auf dem Sitz bereitgelegt habe, damit ich nicht auf sie vergesse. Es sind äußerst seltene Havannas, kubanische Zigarren, ja, Zigarren von derInsel, die von Diktator Batista beherrscht wird. Ich bin Nichtraucher, aber die Havannas habe ich noch vor dem Februarsieg des arbeitenden Volkes von einem weiteren der Glücklichen bekommen, denen ich jene kitschigen Nachkriegsvillen gebaut habe. Ich reiße die Verpackung der Schachtel auf und reiche ein Stück dem Antiquitätenhändler und ein zweites seinem Gehilfen.
O Himmel, Arsch und Zwirn!, sagt der Antiquitätenhändler und blickt andächtig auf die Zigarre und kehrt dann mit jenem Gehilfen, oder wer das ist, in den Laden zurück.
Ich spiele mich noch herum mit der Befestigung des Käfigs auf dem Gepäckträger des
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