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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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ob er dich nicht die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hat?
    Und woher wollen wir wissen – fügte Hauptmann Nešť hinzu – dass du, Genosse, uns nicht gerade jetzt an der Nase herumführst?
    Treblík blickte Sie und Nešť rasch an, sein Blick wanderte von einem Gesicht zum anderen, und die Hoffnung, jenes tückische Biest, war immer noch lebendig in ihm. Solange sie mich Genosse nennen, dachte er, kann es nicht so schlimm sein.
    Nešť schubste Treblík zu Ihnen hinüber und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Jetzt war das nur noch Ihre Sache. Aber trotzdem haben Sie Treblík wieder zurück zu Nešť geschubst, weil Sie noch etwas holen mussten. Und das musste Nešť respektieren. Und daher unterbrach er die Verschränkung vor der Brust und legte die Hände auf Treblíks Schultern (ruhig, nur ruhig, Genosse), um ihn noch bis zu Ihrer Rückkehr festzuhalten. Sie schlossen im Büro die Schreibtischlade auf und nahmen, was Sie nehmen mussten, und gingen zurück, um Treblík zu holen.
    Hier wurde das üblicherweise nicht vollstreckt, ja es war hier noch nie vollstreckt worden, sonst hätte es hier einen eigens zu diesem Zweck ausgebildeten Vollstreckungsbeamten gegeben, aber da dies nicht der Fall war, wurde, wie bei allem Außergewöhnlichem, die Last auf Sie, den Kommandanten, übertragen.
    Als Sie dann mit Treblík in den Keller hinabstiegen, waren Sie jeden Moment auf Treblíks Widerstand gefasstund ließen ihn deswegen ein Stück vor sich hergehen, um ihn eventuell unschädlich machen, mit einem harten Tritt die Treppe hinunterstoßen zu können. Aber Treblík benahm sich nachgerade mustergültig. Er schwankte nur ein wenig. Durch die Zeit, die er im Abwasserschacht verbracht hatte, war er geschwächt, und weil man in dieser Blechschachtel, die ihm als Zelle gedient hatte, nicht turnen konnte und er immer nur kurz auf die Toilette geführt worden war, waren bestimmte Muskeln zum Teil atrophiert.
    Wie bei allen Häusern in der Běhounská lag auch hier der Keller tief unter der Erde, und Sie stiegen lange, endlos lange hinab, und nur einmal blieb Treblík plötzlich stehen, drehte sich zu Ihnen um, und Tränen liefen über seine Wangen: Es war nur ein sehr weitschichtig verwandter Cousin von ihm. Ich schwöre, dass er sich nie mit Leutnant Láska getroffen hat. Ich schwöre es, winselte er.
    Kein Grund zur Sorge, Genosse, geh ruhig runter.
    Weil Sie das noch nie getan haben, sind Sie sich jetzt nicht sicher, ob Sie es überhaupt fertigbringen werden. Was, wenn Treblík sich zu wehren anfängt, und was, wenn die Todesangst so viel Energie in seine Adern schießen lässt, dass er Ihnen am Ende einen Fußtritt verpasst und gleich so kräftig, dass Sie keine Luft bekommen, zu Boden stürzen und dort liegen bleiben und Treblík Ihnen den Revolver wegnimmt und Ihnen dreimal in den Bauch schießt?
    Als Sie ganz unten angekommen waren, irritierte es Sie, dass es dort keinen Lichtschalter gab, mit dem Sie hätten Licht machen können, wenigstens gelang es Ihnennicht, einen zu finden. Und das Licht von der Kellertreppe reichte nicht bis hierher. Und so strichen Sie ein Zündholz nach dem anderen an, verbrauchten fast eine ganze Schachtel, bevor Sie eine geeignete Stelle fanden. Sie schauten im Licht eines Zündholzes auf die Uhr, als wäre das wichtig. Bis Mitternacht waren es noch achtundzwanzig Minuten. Und gerade schickten Sie sich an, Treblík ordnungsgemäß an die Wand zu stellen, als Sie ein Klopfen von der anderen Seite dieser Wand hörten. Dreimal schnell hintereinander und nach einer kleinen Pause dreimal langsamer und dann wieder dreimal schnell. Und das Ganze wiederholte sich dann noch einmal. Verdammt, was ist das?, fragten Sie sich. Und Treblík, dem die Frage überhaupt nicht gegolten hatte, begrüßte das als Gelegenheit, Ihnen seine Willfährigkeit zu zeigen und die Bereitschaft, auf jedwede Fragen zu antworten, und sagte, das sei das geklopfte Morse-SOS, Save Our Souls, Rettet unsere Seelen, also ein telegrafischer Hilferuf. Dann, erwartend, dass das weitergehen würde, verstummten Sie beide ein Weilchen. Aber die Wand war auch schon verstummt.
    Stell dich hierher. Mit dem Gesicht zur Wand. Ja, du kannst dich anlehnen an der Wand. Du bist also Schiffstelegraf gewesen?
    Nein, Genosse Major. Pfadfinder. Dort haben sie uns das Morsen gelehrt. Dort haben sie uns beigebracht, um Hilfe zu rufen.
    Hast du das im Lebenslauf zugegeben? Du wirst ja wissen, was die Pfadfinder für eine Organisation waren.

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