Das Versprechen des Architekten
Käfig, das riesige Gewölbe, das sich irgendwo weit hinten in der Dunkelheit verliert – all das hat den Charakter eines Märchenspuks.
Aber ich weiß nicht, wem ich eher Beachtung schenken soll. Dem Schlafenden im goldenen Käfig oder Architekt Modráček im Blaumann. Er steht neben einer Mischmaschine, die diesen Lärm erzeugt, den ich gleich nach dem Öffnen der Kellertür vernahm. Ich sehe, dass er dort irgendwelche Mauern aufstellt. Im großen Raum eines riesigen Kellergewölbes, den man durch sein kleines Abteil betritt, eines Kellergewölbes, dessen Ende ich nicht ausnehmen kann, baut er so etwas wie ein Zimmer, das jenen goldenen Käfig mit dem seltsamen Schläfer umgibt. Aber da hat er sich schon umgedreht und mich erblickt.
Er drehte sich um und erblickte mich und erschrak. Erschrak so sehr, dass ihm sogar ein unverständlicher Schrei entfuhr. Ich versuchte, ihm etwas zu sagen und meine nächtliche Anwesenheit zu erklären, aber er hörte mir gar nicht zu und handelte blitzartig. Sprang irgendwohin zur Seite, griff sich dort was und sprintete auch schon auf mich zu. Und ich war so überrumpelt von seinem Tempo, dass ich mich überhaupt nicht wehren konnte. Ich stand da wie ein Hampelmann, dem in diesem Moment jeder X-Beliebige zum Beispiel die Maske eines Hahns, Hundes, Elchs, Auerhahns, Truthahns oder gleich eines Geilspechts hätte aufsetzen können. DochArchitekt Modráček packte mich nur fest von hinten und drückte mir etwas in Chloroform oder sonst was Getränktes aufs Gesicht. Ich verlor schnell das Bewusstsein, alles um mich herum löste sich gaukelnd auf, und meine Knie knickten ein …
Als ich wieder zu mir kam, saß ich auch schon in dem goldenen Käfig. Mit dem Rücken an das Sofa gelehnt, auf dem jemand schlief. Ich brauchte ein Weilchen, bis mir vollends zu Bewusstsein kam, was hier ablief. Zuerst einmal war ich nämlich davon irritiert, dass da einer schnarchte neben meinem Ohr, und ich begann mit der Zunge zu schnalzen, erst dann erinnerte ich mich, was mit mir geschehen war. Ich stellte mich auf die Beine und sah, dass sich zwar eine Kette mit einem großen Vorhangschloss an der Tür des Käfigs befand, das Schloss aber unversperrt war. Aus dem, was ich soeben erlebt hatte, schloss ich, dass ich mich schnellstens auf Französisch von hier empfehlen sollte. Ich stieg aus dem Käfig, Architekt Modráček entdeckte ich nirgends. Ich eilte zum Eingang, durch den ich in dieses Kellergewölbe gelangt war. Dort jedoch stieß ich auf eine verschlossene Tür. Vergeblich versuchte ich, sie zu öffnen. Ich wich zurück zu dem goldenen Käfig. Der Schläfer war inzwischen erwacht und hatte sich aufgesetzt. Ich fragte ihn, wer er sei und wie er hierher gekommen wäre. Es war bestimmt eine der dümmsten Fragen, die ich je gestellt hatte, aber trotzdem hätte ich mir wenigstens eine nichtssagende Antwort erwartet. Ich bekam jedoch gar keine. Der Mann schenkte mir nicht die geringste Aufmerksamkeit, legtesich wieder hin und widmete sich vermutlich aufs Neue seinem Schlaf.
Da fiel mir ein, dass am anderen Ende des Kellergewölbes, das sich in dieser Dunkelheit (über dem Käfig leuchtete jetzt nur eine einzige Glühbirne) meiner Sicht entzog, ein zweiter Ausgang sein könnte. Ich lief los, weil mir, was ich inzwischen auch schon verstanden hatte, nicht viel Zeit blieb. So wie mir gleichfalls bereits klar war, dass Architekt Modráček, den ich bislang für einen sympathischen Kerl und einen der genialsten Brünner Architekten gehalten hatte, vor allem ein genialer Irrer war.
Am anderen Ende des Kellers war vermutlich kein zweiter Ausgang, blind tastete ich die feuchten Wände ab, mit dem ganzen Körper an sie gedrückt und mit erhobenen ausgebreiteten Armen. Dafür jedoch war dort so etwas wie ein Möbellager. Ich ertastete eine Art Schränkchen, dann eine ganze Armee von Sesseln und einen Lehnstuhl und eine Reihe Betten, als ob Modráček beabsichtigte, ein ganzes Regiment hier einzuquartieren. Und daher kam mir alles immer irrer vor. Doch da hörte ich schon, wie vorne jemand die Eisentür öffnete. Ich kniete nieder und tappte um mich herum, bis ich eine Eisenstange fand, wohl das abgebrochene Bein von einem Metallbett, allerdings von einem auf sehr hohen Beinen stehenden Bett. Soll ich mich jetzt mit diesem Bein Modráček entgegenstellen wie der tapfere Kapitän Korkoran? Als wüsste ich nicht, dass Verrückte eine nachgerade grauenhafte Kraft haben. Er wird die Stange, die ich in der Hand
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