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Das Versprechen des Architekten

Das Versprechen des Architekten

Titel: Das Versprechen des Architekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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konkurrenzlosem Reiz war. Und soeben weidete ich mich an der Passage „Bevor sie den Greis dem geheimnisvollen Wächter anvertraute, küsste das anmutige Mädchen diesen wandelnden Leichnam, und ihre keusche Liebkosung war nicht frei von jener graziösen Schmeichelei, deren Geheimnis nur wenigen, nur auserwählten Frauen gegeben ist“ – und dann noch an dem Satz „Er war unvermittelt aufgetaucht neben einer der bezauberndsten Frauen von Paris, einer jungen Schönheit von delikaten Formen, einem dieser fast kindlich frischen, weißen und rosa Wesen, so zerbrechlich und fast durchsichtig, dass der Blick eines Mannes durch sie hindurchzudringen scheint wie ein Sonnenstrahl durch reines Eis“ –, als das Telefon läutete. Also lief ich barfuß durch zwei Räume, mir voll bewusst, dassich auf diese Weise noch einmal in den Genuss jener für mich einst so bitteren Lektion kommen könnte, als ein Reißnagel, der sich auf dem Teppich verlaufen hatte, sich mit seinem einzigen Zahn so schmerzhaft in meine Ferse verbiss, dass ich bar jeder Würde aufjaulte.
    Bin ich froh, dass ich dich erreicht habe.
    Nun, ich eile, dir anzuvertrauen, dass dir nichts, was unmöglich wäre, passiert ist, weil zu der Zeit, sofern ich nicht gerade bei einer gewissen Dame verweile, deren Namen zu nennen sich nicht geziemt, denn ein Zusammentreffen glücklicher Umstände hat sie just jetzt ans andere Ende dieser Telefonleitung geführt …
    Was quasselst du da? Ist dir was zugestoßen? Du trinkst wieder!
    Keine Spur. Ich lese nur eine alte Übersetzung von Balzac.
    Ich wollte dir, Süßer, in Erinnerung rufen, dass ich morgen mit Doktor Venhoda vom Kreisgericht komme. Der Genosse ist sehr neugierig auf dich.
    Stopp!, er hätte doch erst nächste Woche kommen sollen. Jetzt hast du mich aber überrumpelt.
    Weißt du, was für eine Arbeit das für uns alle war, diesen alten Lauser zu überzeugen? Deine Karriere im Justizpalast –
    Ich bitte dich, nicht ins Telefon!!
    Also bis morgen, Süßer, Bussi, baba!
    Und sie legte auf. Ich überlegte, was mich morgen erwartete. Na, da werde ich irgendein kaltes Abendessen besorgen müssen. Wie wär’s mit einer Schwedenplatte? Aber Vorsicht, die Schwedenplatte lieber nicht, das ist einekapitalistische Errungenschaft. Ganz zu schweigen davon, dass ich keine Delikatessen für eine kalte Platte auftreiben könnte, auch wenn ich Blut schwitzen würde. Eventuell könnte man wo Piroggen kaufen und dazu einen guten Borschtsch kochen. Den Borschtsch könnte ich mir aus dem Stopek bringen lassen, der ist jetzt dort in. Und die Piroggen? Na klar, dort an der Ecke der Vítězství, im Padovec, nicht wahr? Und selbstverständlich einen guten Wein dazu. Nach dem Borschtsch unbedingt einen roten. Aber das ist nicht unkompliziert, diesbezüglich muss ich mich noch mit der Bussibaba beraten. Aber heute ruf’ ich sie nicht mehr an.
    Und einfach so, wie ich bin, immer noch barfuß, spaziere ich in der Wohnung herum, gehe auch an der verglasten Bibliothek vorbei, und mein braver Schutzengel lässt mich zur rechten Zeit ein wenig den Kopf drehen, und was sehe ich, o heiliger Schreck: „Die Weltrevolution“ von Masaryk, „Die schwarze Bande“ des Emigranten Hostovský, Beneš’ „Memoiren“ und massenhaft Bücher aus der Angloamerikanischen Bibliothek! Ja weiß ich denn nicht, wie Venhoda mit den Augen herumzuschnüffeln versteht, und weiß ich denn nicht, dass ein einziges derartiges Buch mein Leben auf den Kopf stellen, bewirken kann, dass mir einen Tag nach Venhodas Besuch die Stasi ins Haus schneit genauso wie bei den Kratochvils? Nein, auf die leichte Schulter nehmen darf ich das sicher nicht. Und daher werde ich mich augenblicklich an die Arbeit machen.
    Und schon fische ich kontrarevolutionäre Bücherschätze wie Lockharts „Retreat from Glory“, Sartres „Wege der Freiheit“, Camus’ „Fremder“, Huxleys „Kontrapunktdes Lebens“, Hemingways „Wem die Stunde schlägt“, „Cass Timberlane“ von Sinclair Lewis und die Erzählungen James Thurbers sowie weitere bourgeoise literarische Verruchtheiten aus meiner Bibliothek. Und füge sicherheitshalber auch „Mord aus Höflichkeit“, „Der Fall von Professor Roche“ und „Der Seelenmörder“ bei, drei Detektivgeschichten von Doktor Štefl, weil er vor einiger Zeit mir gegenüber erwähnt hat, dass es mit dem Schreiben für ihn Schluss sei, seine Krimis würden als entartete, dekadente Literatur eingestuft.
    Morgen muss ich mir die diversen Pavel

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