Das Versprechen Des Himmels
ebenso unwillig war, ins Gefängnis seines Körpers zurückzukehren, wie Darios davor zurückschreckte, wieder seine Gruft aufzusuchen. Aber er fühlte die Stimmen derer, die er zurückgelassen hatte, nach seinem Bewußtsein greifen.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
Dann wurde Lalo von wirbelnder Dunkelheit erfaßt, durch die er eine gewaltige Stimme rufen hörte. »Öffne dich!« und das Siegel leuchtete vor seinem inneren Auge mit Linien aus weißem Feuer. Einen Augenblick lang war er verwirrt. Lalo fühlte starke Arme, die ihn stützten. Er starrte auf das Siegel, das in allen Farben des Spektrums schillerte. Dann lösten sich Siegel und Stein auf, und eine hagere Gestalt stolperte ihm in die Arme.
»Darios!« stieß Rhian hervor.
Aber Lalo hätte ihn auch ohne ihre Ausruf erkannt. Etwas in seinem Geist erkannte den Lebensfunken des Mannes wieder, den er in den Armen hielt, der flackerte wie eine verlöschende Kerzenflamme. Er starrte hinab auf glanzloses, wirres schwarzes Haar, ein zerschlissenes, blaues Gewand, dessen Stoff von schlichterer Qualität war als die Kleidung, die Darios in der Anderwelt getragen hatte, und hinter Darios sah er staubigen Stein. Der gebeugte Körper richtete sich auf; knochige Finger packten Lalos Arme.
»Mein Sohn, mein Sohn, weine nicht!« Er strich über die staubigen Locken, als hielte er sein eigenes Kind im Arm. »Es hat geklappt, Junge - du bist frei - du bist frei!«
Und dann hielt Lalos Hand inne. Wenn er die Augen schloß, sah er das glänzende Haar und die große Gestalt des Mannes aus der Anderwelt. Aber wenn er sie öffnete, erkannte er, daß der Bursche, den er in den Armen hielt, nicht viel größer war als er selbst, was sich auch nicht ändern würde, wenn er wieder zu Kräften kam. Anstelle des grünen Gartens sah er die schmutzige, schäbige Realität, in die er hineingeboren war - er sah jeden stinkenden Haufen und jeden verwünschten Steinbrocken. Er sah!
Vanda und Rhian waren nun auch an Darios' Seite.
»Darios - mein armer Schatz! Du siehst aus wie einer deiner eigenen Geister!« Rhian legte ihm den Arm um die Schulter.
»Der Hunger.«, flüsterte der Zauberlehrling, »aber selbst davor - sah ich nicht gut aus. Ein Zauberspruch, Rhian - um dir zu gefallen. Vergib mir!«
»Du dummer Kerl!« Rhian schüttelte den Kopf. »Denkst du, daß das so wichtig war?«
»Wir bringen dich nach Hause, und dort wird Mutter dir etwas kochen, damit du wieder ein wenig Fleisch auf die Knochen bekommst!« sagte Vanda und stützte ihn gemeinsam mit Rhian.
Lalo ließ ihn los, als die beiden Mädchen ihn auf die Stufen zu führten. Gilla nahm seine Hand und legte sie auf ihre Schulter.
»Nein.« Seine Stimme brach, und er legte seine Hand in die ihre. »Ich kann jetzt meinen Weg selbst sehen.« Sie erstarrte, und ihr Blick wanderte von Darios zu ihm.
»O Lalo, Lalo!« Ihre Arme schlossen sich um ihn, und er fühlte Tränen über seinen Rücken laufen. Er blinzelte und blickte über ihren geneigten Kopf zu den Stufen.
Darios und die Mädchen waren fast oben angekommen. Wedemir wartete auf sie, steif wie ein Denkmal; aller Schmerz brannte in seinen Augen.
»Und was wird aus mir?« fragte er, als sie an ihm vorbeigingen. Eine tragische Figur aus einem von Feltheryns Stücken hätte es nicht aufwühlender rufen können. »Rhian, was wird aus mir?«
Rhian wandte sich ihm zu. »Ich führe diesen Mann an einen sicheren Ort, Wedemir, nicht zum Traualtar«, antwortete sie schroff. »Im Augenblick weiß ich nicht, ob ich überhaupt jemanden heiraten möchte - weder ihn noch dich!« Darios stützend, gingen die Mädchen vorbei an Wedemir, der ihnen nachstarrte.
Lalo brach in Lachen aus, vielleicht über die Art und Weise wie Rhian ihren Kopf zurückwarf, vielleicht über den Ausdruck in Wedemirs Gesicht - vor allem aber aus purer Freude darüber, daß er geheilt war.
»Ich liebe dich noch, mein Lämmchen.« Lalo legte den Arm um Latilla, die schluchzte und den Kopf wegdrehte.
»Du liebst Mutter mehr.«, murmelte sie.
Lalo seufzte, er erkannte, daß es in seiner Tochter zwei Seelen gab, von denen eine sich wünschte, er sei noch blind. Aber es wäre nicht gut, ihr das zu sagen.
»Ich liebe Mutter anders - aber nicht mehr als dich. Das ist ganz natürlich. Eines Tages findest du einen jungen Mann, der dich auf diese Weise liebt, und du hast dann eine eigene Tochter. Du wirst sehen.« Er seufzte, denn er erinnerte sich, wie unzulänglich er gegenüber dieser Art von
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