Das Versprechen des Opals
Finsternis in einer Kohlenzeche, wo die Arbeit ihm Geld in die Taschen und Essen in den Magen brächte! Warum zum Teufel war er nach Irland zurückgekommen?
Er zog eine Grimasse, vergrub das stoppelbärtige Kinn im Kragen und betrachtete den Mond, der sich im schmutzigen Wasser spiegelte. London hatte sich als zu gefährlich erwiesen, und er war dem Gesetz zu oft um Haaresbreite entronnen, als dass er sein Glück noch weiter auf die Probe hätte stellen wollen. Er hatte sich nach Wales verzogen und dort in einem winzigen Zechendorf in den Bergen Arbeit und Kameraden gefunden, aber seine Langfinger hatten nicht lange stillhalten können, und bei einem Einbruch in eine in der Nähe gelegene Schenke wäre er beinahe ertappt worden.
Mit schwieligen Händen rieb er sich das Gesicht. Irland hatte seine Zuflucht werden sollen; er hatte zu Menschen heimkehren wollen, denen etwas an ihm lag. Aber Mam war tot, und seine Geschwister waren auf der Suche nach dem Glück in alle Himmelsrichtungen verschwunden. In ihrem alten Cottage wohnten Fremde, und niemand wusste, was aus Dad geworden war. Er war einfach eines Morgens fortgegangen und nicht mehr zurückgekommen.
»Ich muss hier weg«, flüsterte er. »Muss einen Weg finden, irgendwas aus mir zu machen, ehe der Henker mich erwischt.«
Kate Kelly hielt das Baby fest im Arm, als sie aus dem Schatten hinter dem Vorhang hervortrat und dem Mann nachschaute, der da die Gasse hinunterrannte. Ihr Herz hämmerte, und sie hatte einen trockenen Mund. Sie hatte sein Gesicht im Lichtschein des Pubs ganz deutlich gesehen, und sie wusste, sie würde es niemals vergessen.
Ein Schauder überlief sie, als sie den Blick der reglosen Gestalt zuwandte, die in der verdreckten Gasse lag. Das Mädchen sah so jung aus, so verwundbar. Seine schmutzigen Haare schwammen im Regenwasser der Gosse, und die kleinen Handflächen waren gen Himmel gerichtet. Kate bekreuzigte sich und murmelte ein Gebet, als Polizisten und Soldaten herbeigelaufen kamen. Um Gottes willen – das Mädchen war doch tot! Mussten sie es behandeln wie ein Stück Fleisch?
Kate fuhr zusammen, als einer der Männer auf blickte. Mit schmalen Augen hielt er Ausschau nach Zeugen, und Kate wich in den Schatten zurück. Wenn sie ihnen erzählte, was sie gesehen hatte, würde die Familie Schwierigkeiten bekommen – und die konnte sie nicht gebrauchen. Sie hatten schon genug Schwierigkeiten.
Das Baby wimmerte im Schlaf, und sie drückte den Kleinen an sich und murmelte tröstende Worte in das daunenweiche Haar. Ihr kleinster Bruder war ein Schatz, aber seine Ankunft hatte Mam erschöpft. Dad war nicht zu gebrauchen, wenn es darum ging, sich um die anderen neun Kinder zu kümmern, und so lastete die Verantwortung dafür, dass alles reibungslos lief, bis es Mam wieder besser ginge, auf Kates schmalen Schultern. Dabei hatte Dad keine Angst vor harter Arbeit; er sorgte für seine stetig wachsende Familie und war aschgrau vor Müdigkeit, wenn er abends aus der Gerberei nach Hause kam.
Sie legte das Baby auf die Matratze zu den anderen schlafenden Kindern und kehrte zum Fenster zurück. Die Totewar weggeschafft worden, und die düstere Gasse lag da wie immer.
»Was siehst du da? Mir war, als hätte ich Geschrei gehört.«
Die leise Stimme ließ Kate zusammenschrecken, und sie fuhr herum. »Du solltest schlafen«, sagte sie sanft. Mam hatte dunkle Ringe um die Augen, und ihre Haut schimmerte beinahe wie Alabaster.
»Ach, ich werde noch lange genug schlafen, wenn ich erst tot bin.« Finola Kelly winkte ab und zog sich den dünnen Schal fester um die schmalen Schultern. »Was ist denn da unten vorgegangen? Wieder eine Katzbalgerei unter den Huren?«
Kate erzählte ihr, was sie gesehen hatte, ohne weiter auf den Mann einzugehen, den sie genau hätte beschreiben können. »Geh wieder ins Bett«, sagte sie, um das Thema zu wechseln. »Dad kommt gleich, und er wird böse, wenn er dich so früh auf den Beinen findet.«
»Dein Dad wird für nichts mehr Augen haben. Er wird so müde sein, dass er im Stehen einschläft.« Finola Kelly packte ihre Tochter bei den Armen und schaute ihr tief in die Augen. »Pass auf, dass du nicht in die gleiche Falle tappst wie ich, Kate«, sagte sie eindringlich. »Verschwinde von hier, bevor diese Stadt dich ins Verderben stürzt.«
»Mam?« Kate wich vor dem wilden Blick ihrer Mutter zurück. So hatte sie sie noch nie reden gehört. »Ist es das, was wir alle für dich sind – eine Falle?«
»Ach, Kind, du bist
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