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Das Versprechen des Opals

Das Versprechen des Opals

Titel: Das Versprechen des Opals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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andern brachen in obszönes Lachen aus. Dann ließen die Frauen sie los, wandten sich ab und marschierten Arm in Arm den Hang hinunter und zum Dorf zurück.
    Maureen zog schützend die Knie an die Brust und blieberschöpft in Schlamm und Regen liegen. Sie war zu zerschunden, um sich zu bewegen, zu schockiert, um zu denken. Die Stimmen verhallten, und bald hörte sie nur noch die Schreie der Möwen, die über ihr kreisten. Der Teer brannte sich in ihre Haut, und der Wind zerrte an den Federn. Noch immer fühlte sie den glühenden Hass der Frauen und ihre bösen, kräftigen Fäuste. Der Gedanke daran, ins Dorf zurückzukehren, war grauenvoll, aber sie wusste, dass sie hier nicht bleiben konnte. Sie wusste, dass sie sich irgendwie säubern musste, bevor der Teer unlösbar auf der Haut klebte.
    Schließlich richtete sie sich auf und betastete behutsam ihren misshandelten Kopf. Die Wunden würden verheilen, die Haare nachwachsen – aber vorläufig war sie so unübersehbar gezeichnet wie Kain.
    Ihre Kleider lagen in Fetzen um sie herum, und die langen schwarzen Haarsträhnen kringelten sich wie einsame Schlangen im Schlamm. Sie raffte ihren Mantel auf, der gottlob keinen allzu großen Schaden erlitten hatte, legte ihn um die Schultern und zog sich die Kapuze bis über die Augen. Der Mantel war durchnässt, aber er war der einzige Schutz vor den Elementen, den sie hatte.
    Es dauerte noch eine Weile, bis sie die Kraft zum Aufstehen fand. Der stechende Schmerz in ihren Rippen ließ sie zusammenfahren, und sie zitterte am ganzen Körper. Sie schlang den Mantel fest um sich und machte sich auf den Weg hinunter ins Dorf. Ihr blieb nichts anderes übrig, als nach Hause zu gehen, aber wie sollte sie ihren Eltern entgegentreten? Ihrem Vater?
    Michael O’Halloran war nicht der Mann, der es schätzen würde, wenn seine älteste Tochter ihm Schande machte – zumal wenn der Fehltritt mit einem Engländer begangen worden war. Wenn er den Grund für den Überfall erfuhr, würde er sichnicht hinter seine Tochter stellen. Er war ein stolzer Ire, und sein Hass auf die englischen Grundbesitzer färbte seine Sicht auf das Leben. Maureen wusste, dass er sie nicht trösten würde, im Gegenteil: Er würde seinen Gürtel abnehmen und die Lektion, die ihr heute erteilt worden war, vollenden.
    Die Erinnerung an frühere Prügel versetzte sie in Angst und Schrecken, und sie überlegte, ob sie sich irgendwie ins Haus schleichen könnte, ohne dass er sie sah. Aber sie wusste, dass das unmöglich war. Die Hütte hatte nur zwei Zimmer, und sie schlief mit ihren drei jüngeren Schwestern im Alkoven. Selbst wenn Dad auf einer seiner geheimnisvollen Reisen in den Norden wäre, musste sie damit rechnen, dass ihre Mutter am Feuer saß und auf seine Rückkehr wartete.
    Maureen schaute zu dem Wald zurück, aus dem sie gekommen war. Vielleicht sollte sie lieber versuchen, sich Teer und Federn im Lough abzuwaschen? Aber gleich verwarf sie diese Idee. Sie würde eine gute halbe Stunde brauchen, um zum Lough Leigh zu kommen, und dazu müsste sie Sir Oswalds Besitz überqueren und riskieren, dass sie Fergus, seinem Jagdhüter, über den Weg lief. Sie war zu erschöpft, zu durchfroren und zu zerschlagen, um eine solche Wanderung in Betracht zu ziehen. Es gab keine andere Möglichkeit: Sie musste nach Hause gehen.
    »Henry«, wimmerte sie, und der Regen spülte die letzten Reste ihres Mutes davon. »Wo bist du, wenn ich dich brauche? Hörst du nicht, wie ich dich rufe?«
    Sie kämpfte die Tränen nieder und tadelte sich für solche Hirngespinste – denn wie sollte ein Engländer die Wunderlichkeiten des irischen Glaubens an das Mystische verstehen? Natürlich konnte er ihren Schmerz und ihre Ratlosigkeit nicht spüren. Er war nur ein Mensch – und ein Fremder, wenn es darum ging, irisches Denken wirklich zu verstehen. Sie raffteden Mantel fester um sich und setzte ihren beschwerlichen Weg zum Fischerdorf fort.
    Das Steinhäuschen war eines von fünfen in einer kurzen Gasse am Steilhang oberhalb des Hafens. Das Strohdach war reparaturbedürftig, aber die Fenster waren sauber, und die Tür war frisch gestrichen. Das leise Muhen der Milchkuh kam aus dem Stall neben dem größeren der beiden Zimmer, und die Hühner gackerten verärgert über die Störung, als sie die Hinterpforte öffnete und den schlammigen Hof betrat. Der Lichtschein des Herdfeuers flackerte im Fenster, und sie spähte hinein.
    Bridie O’Halloran saß zwischen trocknenden Wäschestücken an ihrem

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