Das Versteck der Anakonda
Der große Tag. Du verstehst!?«
›Begeisterung klingt anders‹, dachte Paul. › WirdZeit abzuhauen, sonst steckt er mich noch mit seiner miesen Laune an!‹
»Also Joe, ich muss los. Wir sehen uns. Und … viel Glück mit der Anakonda!«
Als Paul anderthalb Stunden später wieder am Anlegeplatz vorbeikam, war von den beiden nichts mehr zu sehen. Doch Paul dachte
schon längst nicht mehr an den Streit der beiden Anakondasucher. Der Besuch bei Estéban und seiner Familie hatte ihn auf andere
Gedanken gebracht – obwohl er eigentlich nicht viel mehr gemacht hatte, als Juanitos Brüdern Jojo-Unterricht zu geben.
»Doctor Ceñoto, bitte, Sie müssen aufwachen.«
Von aufgeregten Rufen und lautem Klopfen aufgeweckt, brauchte Paul eine Weile, um zu sich zu kommen. Doch als ihm dann der
Geruch von verbranntem Fett in die Nase stach, waren die Erinnerungen an die Fiesta schlagartig wieder da.
»Aufwachen, Doctor Ceñoto, es waren Diebe im Camp. Aufwachen!«
Nicht nur Paul war jetzt mit einem Sprung auf den Beinen. Er hörte es auch nebenan im Zimmer seines Vaters rumoren.
»Doctor Ce…«
»Schon gut, schon gut, ich bin ja gleich da!«
Vor der Tür standen die fünf Männer, die seinen Vater auf der letzten Expedition begleitet hatten.
»Was habt ihr gerufen? Diebstahl? Was fehlt euch denn?«
»Nicht uns, Doctor, dem Camp. Ein Bootsmotor ist verschwunden, sechs Kanister Benzin, zwei Betäubungsgewehre und die dazugehörige
Munition und eine ganze Menge Proviant.«
Jetzt hatte es der lange Biologe plötzlich sehr eilig. Er schlüpfte in seine Schuhe, fummelte nervös an seinem Gürtel herum
und war schon fast aus der Tür, als Paul ihn zurückrief.
»Ich glaube, ich weiß, wer das war, Papa!«
Dr. Zernott fuhr herum.
»Was? Aber wieso …?«
»Ich habe gestern ein Gespräch zwischen Joe und diesem Wolf gehört …« Und dann berichtete er über den Streit der Anakondajäger und wie Joe seinen Dschungelführer schließlich besänftigt hatte.
»Benzin kaufen? Und einen Ersatzmotor? Das Geld hat der Gauner wohl lieber für sich behalten. Hoffentlich kommt Johannes Portländer
der II. wieder heil von seiner Anakondasuche zurück. Wer so viel Geld in der Brieftasche spazieren führt, hat baldkeine Brieftasche mehr. Und das wäre nicht einmal das Schlimmste!«
Paul war entsetzt: »Aber wenn Joe in Gefahr ist, dann müssen wir ihm helfen. Außerdem – Wolf hat euch beklaut, das darfst du dir nicht gefallen lassen.«
Dr. Zernott lächelte milde.
»Mein lieber Sohn, wenn das so einfach wäre. Der Rio Napo ist Hunderte von Kilometern lang und besitzt unzählige Nebenflüsse.
Da hast du selbst mit dem Helikopter keine Chance, jemanden zu finden.«
Nach dem großen Willkommensfest und den Aufregungen um die verschwundene Ausrüstung nahm sich Dr. Zernott zwei lange Tage Zeit, um seinem Sohn das Camp und die Umgebung zu zeigen. Dabeikam Paul aus dem Staunen nicht heraus. Was sein Vater alles wusste und kannte! Während er in ihrem Frankfurter Haus oftmals
zerstreut und linkisch wirkte, fühlte er sich im Dschungel Ecuadors offensichtlich so wohl wie ein Fisch im Wasser.
Als Paul am späten Morgen des dritten Tages aus dem Haus trat, wartete Juanito bereits im Schatten des Mangobaums auf ihn.
Er hatte zwei kurze hölzerne Paddel dabei, von denen er eines Paul hinhielt.
»Hast du Lust auf einen kleinen Ausflug den Napo hinunter?«
»Klar. Womit denn?«
»Zeig ich dir. Sag nur schnell deiner Oma, dass wir erst zum Abendessen wieder im Camp sind!«
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Der stöhnende Fisch
Dieses Mal nahm Juanito den direkten Weg zum Fluss hinunter. Am Anlegesteg sah Paul schon von Weitem ein kleines Kanu am Ufer
liegen.
»Mensch, ist das deins?«
Juanito nickte stolz.
»Selbst gemacht. Ich habe mehr als ein Jahr daran gearbeitet. Mein Onkel hat mir gezeigt, wie es geht. Paco ist der beste
Bootsbauer am Rio Napo!«
Ehrfürchtig näherte sich Paul dem kleinen Kanu, umrundete es, beklopfte ein paar Mal das leichte Holz und kam aus dem Staunen
nicht heraus.
»Perfekt. Das hast du wirklich ganz alleine geschafft? Mann, so was sollten wir mal in der Schule machen!«
Juanito hatte bereits die Bootsleine vom Haken gelöst und sah Paul erwartungsvoll an.
»Wollen wir?«
»Aber klar doch!«
Die beiden Jungen kletterten in das schwankende kleine Kanu. Juanito saß hinten, Paul am Bug. Zwischenihnen hatte der Indianerjunge Proviant, Angelzeug, eine Machete und sogar einen
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